Inhaltsverzeichnis
GnRH ist vor allem für seine regulatorische Wirkung auf die Sexualhormonbildung bekannt. Jedoch scheint es darüber hinaus auch andere Organsysteme, etwa das Herz-Kreislauf-System und das Gehirn, wesentlich zu beeinflussen. Dies könnte ihm eine wichtige Rolle im Rahmen künftiger medizinischer Behandlungsstrategien einbringen. Dieser Artikel erläutert die wichtigsten Effekte von GnRH und gibt einen Überblick über den aktuellen Wissensstand hinsichtlich der weniger erforschten Wirkweisen des Hormons.
Inhaltsverzeichnis
GnRH – Definition
GnRH, das Gonadotropin-Releasing-Hormon, ist ein Hormon, das den komplexen Kreislauf der Geschlechtshormone steuert und somit die geschlechtliche Entwicklung und die Fortpflanzung reguliert. Seine Synthese erfolgt im Hypothalamus des Zwischenhirns, seine Wirkung entfaltet es in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse).
Für GnRH existieren viele verschiedene Bezeichnungen, die sich allesamt aus der Funktion des Hormons ergeben. So heißt es unter anderem Luteinisierendes-Hormon-Releasing-Hormon (LHRH) oder Follikelstimulierendes-Hormon-Releasing-Hormon (FSH-RH). In älterer Literatur finden sich häufiger noch die Bezeichnungen „Gonadoliberin“ oder „Gonadorelin“. Einige Medikamente, die GnRH-ähnliche Wirkung aufweisen, enden daher auf „-relin“.
GnRH – Wirkung und Funktion
Die wesentliche Wirkung von GnRH ist eine Steigerung der Synthese und der Freisetzung des Luteinisierenden Hormons, LH, sowie des Follikel-stimulierenden Hormons, FSH, aus der Hirnanhangsdrüse. Diese regen die Ausreifung der Eierstöcke beziehungsweise der Hoden, die dortige Keimzellbildung und die Synthese der Geschlechtshormone Testosteron, Östrogen und Progesteron durch die Geschlechtsorgane an.
Eine unzureichende GnRH-Bildung oder eine Unterdrückung des Hormons, beispielsweise im Rahmen einer medizinischen Behandlung, führen zu einem Mangel an Geschlechtshormonen. Dies zieht eine inadäquate Ausbildung der Fortpflanzungsorgane und Unfruchtbarkeit nach sich. Ähnlich verhält es sich auch bei einer übermäßigen Bildung oder externen Zufuhr des Hormons. In diesem Fall werden die Rezeptoren an den Zielorganen, über welche es üblicherweise seine Effekte auslöst, herunterreguliert. In der Folge versiegt die Synthese der Geschlechtshormone.
Herz-Kreislauf-System
GnRH-Rezeptoren finden sich auf Herzmuskelzellen und an den Blutgefäßwänden. Wenngleich die genaue Wirkung des Hormons auf diese Zielstrukturen noch nicht gänzlich verstanden ist, so scheint es hierüber, unabhängig von den nachfolgenden Sexualhormonen, das Herz-Kreislauf-System zu beeinflussen. Dabei löst es eine Verringerung der Pumpkraft des Herzens sowie eine Versteifung der Blutgefäße aus. Letztere führt zu einer Erhöhung des arteriellen Blutdrucks, was wiederum sowohl das Herz selbst, als auch das Gehirn, die Nieren und weitere Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt.
Diese Annahmen werden durch Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms indirekt bestätigt. In diesen Untersuchungen erfolgte ein Vergleich der Effekte von GnRH-steigernden Medikamenten und GnRH-Rezeptor-Blockern. Während beide Wirkstoffgruppen direkt beziehungsweise indirekt durch eine Überstimulation der Rezeptoren die Bildung der Sexualhormone unterdrücken, zeigte sich bei übermäßiger Gabe eine höhere Komplikationsrate im Herz-Kreislauf-System als bei GnRH-Blockierung. Dies ist somit nicht auf die peripheren Geschlechtshormone, sondern eher auf die direkte Wirkung zurückzuführen.
Darüber hinaus kommt es durch die vermehrte Synthese von Östrogen, Testosteron und Progesteron zu indirekten Effekten des Hormons auf Herz und Gefäße. Vor allem Östrogene wirken sich blutdrucksenkend aus und reduzieren das Fortschreiten der Gefäßverkalkung.
Bei einem GnRH-Mangel kann das Hormon synthetisch hergestellt und schubweise verabreicht werden. Dies ahmt den natürlichen Rhythmus der GnRH-Freisetzung im Körper nach. Bei Frauen mit angeborenem Geschlechtshormonmangel und Unfruchtbarkeit kann so unter Umständen ein normaler Monatszyklus hergestellt werden und eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege eintreten. Eine GnRH-Unterdrückung durch direkte Hormonblockade (GnRH-Antagonisierung) oder Überstimulierung (durch GnRH-Agonisten) kommt bei hormonsensiblen Tumoren wie dem Prostatakarzinom, beim Mammakarzinom und bei Endometriose zum Einsatz.GnRH in der medizinischen Therapie
Zentrales Nervensystem
Neben seiner zentralen Aufgabe in der Anregung der Hypophyse zur Hormonsekretion scheint es weitere interessante Effekte im Zentralen Nervensystem zu besitzen, die derzeit noch erforscht werden.
Der Fokus hierbei liegt vor allem auf dem Zusammenhang zwischen Riechstörungen, Unfruchtbarkeit und Gedächtnisstörungen. Eine der häufigsten erblichen Störungen der GnRH-Synthese, das Kallmann-Syndrom, entsteht durch die unvollständige Ausbildung einer spezialisierten Zellformation im Gehirn des Embryos, die sich im Verlauf sowohl zum Riechorgan als auch zu GnRH-bildenden Zellen weiterentwickelt. Durch den resultierenden GnRH-Mangel sind die Spiegel von FSH und LH erniedrigt, was die Unfruchtbarkeit erklärt. Zeitgleich fehlt es den zentralen Lern- und Erinnerungsregionen des Gehirns an GnRH, was die Gedächtnisstörungen auslöst. Ergänzend ist der Geruchsinn gestört. Ebendiese ungewöhnliche Kombination an Symptomen findet sich auch bei Menschen mit Trisomie 21 sowie bei frühen Formen der Alzheimer-Erkrankung. Sollte sich in diesen Fällen ein Zusammenhang mit dem GnRH-Stoffwechsel bestätigen lassen, so könnten diese Erkenntnisse therapeutische Konsequenz haben.
Weiterhin übt GnRH über die Sexualhormone indirekt Einfluss auf die Stimmung aus, was jedoch keine direkte Relevanz in der Behandlung psychischer Erkrankungen hat.
Glatte Muskulatur
GnRH reguliert die Spannung der Muskulatur in der Gebärmutter, was wichtig für die Schwangerschaft und Geburt ist. Darüber hinaus scheint es die Blutgefäße zu entspannen, was durch die Effekte der peripheren Geschlechtshormone unterstützt wird. Somit sinkt der Blutdruck und das Gefäßsystem wird entlastet.
Mobilisierung von Energiereserven
GnRH selbst nimmt keinen relevanten Einfluss auf die Eigenreserven des Körpers. Es beeinflusst jedoch über die Effekte der Sexualhormone den Stoffwechsel. Dabei steigert Testosteron den Muskelaufbau und den Energieumsatz. Östrogene wiederum reduzieren die Entstehung von Speicherfett am Bauch und den inneren Organen.
Umgekehrt regt Leptin, das in Fettzellen gebildet wird, die GnRH-Synthese an. Dies erklärt unter anderem, warum bei einer anhaltenden Unterversorgung des Körpers und somit einem Mangel an Fettgewebe der Menstruationszyklus der Frau ausbleiben kann.
Sonstige Effekte
Weitere Effekte von GnRH wie eine Beeinflussung des Immunsystems und des Wachstums im Allgemeinen sind vorrangig auf die Effekte der Sexualhormone zurückzuführen.
GnRH – Abbau
GnRH besitzt eine geringe Halbwertszeit von wenigen Minuten Dauer und wird zudem von Leber und Niere durch enzymatische Aufspaltung deaktiviert. Die hierbei entstehenden Abbauprodukte scheidet der Körper über die Harnwege aus. Dies gewährleistet eine präzise Steuerung der Hormonfreisetzung und verhindert eine Überstimulation der Hypophyse.
Häufige Fragen
- Was ist die Wirkung von GnRH?
- Was erhöht den GnRH-Spiegel?
- Was passiert, wenn der Körper zu viel GnRH hat?
- Wann wird GnRH ausgeschüttet?
In erster Linie regt GnRH die Synthese der Sexualhormone durch die Geschlechtsorgane an und fördert so deren Entwicklung während der Pubertät und die Ausreifung von Keimzellen. Darüber hinaus nimmt es direkt und indirekt Einfluss vor allem auf das Herz-Kreislauf-System und könnte eine Rolle bei der Entstehung von Demenz spielen.
Der GnRH-Spiegel steigt an, wenn die Sexualhormon-Spiegel im Körper absinken, sowie kurz vor dem Eisprung der Frau. Eine gute Energieversorgung des Körpers ist wichtig für eine regelhafte GnRH-Synthese. Fettzellen bilden Leptin, einen Botenstoff, der die Freisetzung von GnRH anregt.
Bei einem GnRH-Überschuss reguliert der Körper die Empfindlichkeit der Zielstrukturen für das Hormon immer weiter herab, indem er die GnRH-Rezeptoren blockiert. Diesen Effekt macht sich die Medizin unter anderem bei der hormonellen Tumortherapie zunutze.
GnRH wird immer stoßweise vom Körper freigesetzt, vor allem in der Nacht. Durch die kurze Halbwertszeit des Hormons kann unter anderem der weibliche Zyklus somit gut reguliert werden.
- Bidlingmaier, M., GnRH-Test, In: Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik (Springer, 3. Auflage, 2019, S. 1014)
- Conteduca, V et al., The cardiovascular risk of gonadotropin releasing hormone agonists in men with prostate cancer: An unresolved controversy (Critical Reviews in Oncology/Hematology, Elsevier, 2012)
- Wildt, L et. al., Pulsatile GnRH-Therapie, In: Reproduktionsmedizin (Springer, 2020, S. 1-14)