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Die Niere wird oft lediglich mit der Urinproduktion in Verbindung gebracht. Dabei ist sie unter anderem auch für die Blutdruckregulation, die Bildung der roten Blutkörperchen und den Salzhaushalt zuständig und spielt eine zentrale Rolle im Hormonkreislauf. Mehr zu ihrem Aufbau, den Funktionen und was passiert wenn die Niere nicht mehr funktioniert zeigt dieser Artikel.
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Niere – Definition
Etwa auf Höhe der ersten Lendenwirbel liegen die paarig angelegten Nieren. Sie befinden sich im Retroperitonealraum, also hinter der Bauchhöhle, und übernehmen vielfältige Aufgaben zur Regulation der Körperfunktionen.
Aufgrund ihrer Maße wird die menschliche Niere oft auch als 4711-Organ bezeichnet, da sie eine ungefähre Dicke von vier Zentimetern, eine Breite von etwa sieben Zentimetern und eine Länge um elf Zentimeter besitzt.
Niere – Anatomie und Aufbau
Die Nieren ähneln in Farbe und Form zwei übergroßen Kidney-Bohnen (die auch nach ihnen benannt sind) und sind mit der konkaven Seite zur Körpermitte hin ausgerichtet. Hier ziehen am sogenannten Nierenhilus die versorgenden Arterien und Nerven in die Nieren hinein und Venen, Lymphgefäße sowie der Harnleiter (Ureter) hinaus.
Hüllen
Die Niere ist durch eine unmittelbar anliegende Bindegewebshülle, eine umgebende Fettschicht und eine nach außen fixierende und stabilisierende Faszie, die Fascia renalis oder Gerota-Faszie, gut gepolstert und in ihrer Position verankert.
Rinde und Mark
Die Niere wird in einen äußeren Rindenbereich und das Nierenmark unterteilt. In der Rinde findet die Bildung des Primärharns in den Nierenkörperchen statt, außerdem liegen dort sensorische Zellen des juxtaglomerulären Apparates, der unter anderem der Blutdruckerfassung dient und im Abschnitt „Funktion und Aufgaben“ besprochen wird.
Im Nierenmark werden dem Harn Flüssigkeit und einige zuvor ausgeschiedene Bestandteile nach Bedarf wieder entzogen. Das Nierenmark ragt als umgedrehte Markpyramiden mit den Spitzen in das Nierenkelch- und -beckensystem hinein.
Nephrone
In der Nierenrinde befinden sich die Nierenkörperchen. Sie bestehen aus einer zuführenden Arterie, die ein Knäuel (das Glomerulum) bildet, und der Bowman-Kapsel, die das Knäuel mit einem Bindegewebssaum (Basalmembran) und einer einzelnen Zellreihe, den Podozyten, umfasst. Die Bowman-Kapsel bildet den Filter, durch den der Primärharn aus Wasser, Elektrolyten, Zucker und harnpflichtigen Substanzen in die Nierenkanälchen (Tubuli) geleitet wird. Rote und weiße Blutkörperchen und Eiweiß können für gewöhnlich diesen Filter nicht überschreiten und werden wieder dem Kreislauf zugeführt.
Die Nierenkörperchen und ihre zugehörigen Nierenkanälchen werden zu einer Einheit – dem Nephron – zusammengefasst. Dabei verfügt zu Beginn des Lebens jede Niere über etwa eine bis anderthalb Millionen Nephrone, deren Zahl sich im Laufe des Lebens reduziert.
Nierenkelche und Nierenbecken
Die Nierenkelche nehmen den Urin aus den Markpyramiden auf und leiten ihn über das Nierenbecken im Bereich des Hilus in den Harnleiter ab, der zur Blase hinab zieht.
Niere – Funktion und Aufgaben
Kaum ein Organ im menschlichen Körper nimmt derart vielfältig Einfluss auf dessen Funktion wie die Niere. Die wichtigsten Funktionsbereiche der Niere werden im Folgenden erläutert.
Harnproduktion, Salzregulation und Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen
Zu den zentralen Aufgaben der Niere gehören die Regulation des Flüssigkeitshaushaltes, der Ausgleich der Blutsalze (Elektrolyte) und die Entgiftung des Körpers. Im Rahmen der Urinproduktion können diese Funktionen miteinander verknüpft werden.
Wie entsteht Urin?
Zunächst werden dem Blut neben Wasser auch Elektrolyte, Glukose (Zucker) und Abbauprodukte des Proteinstoffwechsels sowie Giftstoffe im Nierenkörperchen entzogen und als Primärharn in die Nierenkanälchen abgeleitet. Dort werden die ursprünglichen 160 Liter Primärharn aufbereitet und zu etwa anderthalb bis zwei Litern Urin konzentriert, der dann zur endgültigen Ausscheidung weiter zum Nierenbecken transportiert wird.
Die Blutsalze, allen voran Natrium und Kalium, werden je nach akutem Bedarf des Körpers über ein kompliziertes System aus Transportern an den Zellen der Nierenkanälchen wieder aus dem Primärharn aufgenommen. Da Blutsalze und Wasserhaushalt eng zusammenhängen, greifen die meisten „harntreibende“ Medikamente (Diuretika) in ebendieses System ein.
Blutdruckregulation
Neben der Urinproduktion nimmt die Niere über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), Einfluss auf den Blutdruck. Im juxtaglomerulären Apparat, einem kleinen Zellkomplex am Nierenkörperchen, werden der Blutdruck in der zuführenden Arterie und die Chloridkonzentration des Primärharns bestimmt. Sind diese Werte zu niedrig, so wird neben einer lokalen Anpassung der Gefäßweiten die Ausschüttung von Renin aus benachbarten Zellen angeregt. Dieses in der Niere gebildete Hormon (von lateinisch „Ren“, Niere) setzt über das RAAS eine Blutdrucksteigerung in Gang, um die Nierendurchblutung und die Harnproduktion zu unterstützten.
Anregung der Produktion der roten Blutkörperchen
Die Niere sezerniert Erythropoetin (kurz „EPO“), ein Hormon, das die Bildung der roten Blutkörperchen, Erythrozyten, im Knochenmark auslöst. Bei zunehmender Nierenschädigung sinkt der EPO-Spiegel ab, was eine Blutarmut zur Folge hat. EPO taucht gelegentlich in Verbindung mit Blutdoping beim Leistungssport auf. Durch externe Zufuhr bei gesunden Menschen wird die Erythrozytenproduktion übermäßig angeregt. Während sich hieraus ein gesteigerter Sauerstofftransport in die Muskulatur und eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit ergeben, steigt gleichzeitig das Risiko für ein „Verstopfen“ der Gefäße durch das zu zellreiche Blut (Thrombose oder Embolie).
Kalzium- und Phosphathaushalt
Gemeinsam mit den Nebenschilddrüsen reguliert die Niere den Knochenstoffwechsel durch Aktivierung von Vorstufen des Vitamin D zu Calcitriol, welches die Kalziumaufnahme und dessen Aufnahme in den Knochen fördert.
Stabilisierung des pH-Wertes
Ein regelrechter Blut-pH-Wert ist essenziell für einen funktionierenden Stoffwechsel. Bereits kleine Abweichungen nach oben oder unten können lebensbedrohlich sein. Daher gibt es zwei Steuerzentren, die Säuren und Basen ausgleichen, um den pH-Wert möglichst zwischen 7,35 und 7,45 einzustellen: die Lunge und die Niere. Da im Körper zumeist Säuren anfallen, müssen Basen zu deren Neutralisation bereitgestellt werden. Diese Aufgabe übernimmt die Niere durch Wiederaufnahme und Bildung von Bicarbonat.
Niere – Erkrankungen und Symptome
Störungen der Nierenfunktion sind meist die Folge von Systemerkrankungen. Unbehandelt können wie im ungünstigsten Fall zur Nierenersatztherapie, Dialyse, oder zur Notwendigkeit einer Nierentransplantation führen.
Zyste an der Niere
Zysten sind flüssigkeitsgefüllt Hohlräume und zumeist gutartig. Sie sind häufig angeboren oder entstehen durch Entzündungen und werden häufig im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung entdeckt, ohne Beschwerden auszulösen. Bei angeborenen polyzystischen Nierenerkrankungen dagegen handelt es sich um vererbbare Erkrankungen, bei denen die Nieren teils derart von Zysten durchsetzt sind, dass sie in ihrer Funktion massiv beeinträchtigt werden.
Niereninsuffizienz (chronischer Funktionsverlust der Niere) und Dialyse
Viele Erkrankungen schädigen die Niere anhaltend und dauerhaft. Während Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vor allem die kleinen Gefäße angreift, sorgt Bluthochdruck für eine Verkalkung der Nierenarterien mit der Folge der Minderdurchblutung. Dies wiederum führt über den juxtaglomerulären Apparat zur Ausschüttung von Renin, wodurch der Blutdruck immer weiter gesteigert wird beim vergeblichen Versuch, die Nierendurchblutung wieder zu verbessern.
Auch chronische aufsteigende Entzündungen, rheumatische Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente wie Schmerzmittel können zu einer chronischen Nierenerkrankung mit Niereninsuffizienz führen.
Entwickeln die Betroffenen Symptome durch Anhäufung von harnpflichtigen Substanzen (Urämie), beständige Elektrolytentgleisungen (vor allem zu hohe Kaliumspiegel können Herzrhythmusstörungen begünstigen) oder therapieresistente Überwässerung, wird eine Dialysetherapie (Blutwäsche) erforderlich.
Dabei wird das Blut durch eine Maschine geleitet und dort von Giftstoffen befreit, gleichzeitig werden die Salze ausgeglichen und nach Bedarf Wasser entzogen. Fitte Patienten können eine Heimdialyse durchführen, außerdem kann das Bauchfell zur Blutfiltration genutzt werden (Peritonealdialyse). Beides ist vor allem bei Berufstätigen beliebt.
Nierentransplantation
Findet sich ein geeignetes Spenderorgan, so kann eine Nierentransplantation ein Leben ohne Dialyse ermöglichen. Allerdings muss zur Abwehr einer Abstoßung dauerhaft das Immunsystem durch Medikamente unterdrückt werden.Eine Lebendspende, welche wegen des frischen Organs zu sehr guten Langzeit-Ergebnissen führt, erfordert strenge körperliche und psychologische Untersuchungen der spendenden Person, die hiernach (sofern sie gesund bleibt) auch mit nur einer Niere problemlos leben kann.
Nierenbeckenentzündung
Aufsteigende Harnwegsinfektionen können, vor allem bei mechanischen Hindernissen wie Harnleitersteinen, zu einer Nierenbeckenentzündung führen, die sich in der Regel mit Schmerzen im Bereich der Flanken, Fieber und schwerem Krankheitsgefühl bemerkbar macht. Wird die Erkrankung nicht adäquat behandelt, in der Regel mittels Antibiotikatherapie, so kann sie im schlimmsten Fall die Nierengrenze überschreiten und zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Gleichzeitig schädigt die Entzündung teile des Nierengewebes irreparabel.
Nierensteine
Nierensteine können durch eine ungünstige Zusammensetzung des Harns oder bei Flüssigkeitsmangel entstehen. Werden sie in die Harnleiter gespült und verstopfen diese, so erleiden die Betroffenen eine Harnleiterkolik, die mit stärksten Schmerzen einhergeht. Nierensteine können über von außen in den Körper geleitete Stoßwellen zertrümmert und dann ausgeschieden werden. Außerdem ist eine Bergung mittels Kathetereinlage in die Harnleiter (durch die Harnröhre und die Harnblase oder über einen Hautschnitt von außen) möglich.
Nierentumore
Nierentumore sind häufig Zufallsbefunde im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung, können sich aber auch durch die typischen Symptome blutiger Urin und Flankenschmerzen bemerkbar machen. Je nach Größe und Lage werden sie durch anteilige oder vollständige Entfernung der Niere abgetragen und gezielte medikamentöse Therapien eingesetzt.
Untersuchung und Diagnose von Nierenerkrankungen
Zur Abklärung der Nierenfunktion werden Blut und Urin untersucht, wobei sich anhand der harnpflichtigen Substanzen und deren Ausscheidung die Filterleistung (GFR) abschätzen lässt. Meist wird hierzu das Muskelabbauprotein Kreatinin bestimmt, genauer da von äußeren Einflüssen unabhängiger ist das körpereigene Protein Cystatin C. Zudem gibt das Vorkommen von Eiweiß oder Zucker im Urin Aufschluss über die Schrankenfunktion der Niere. Auch die Höhe der roten Blutkörperchen, die unter anderem bei einer nierenbedingten Blutarmut reduziert sind, auf eine Nierenfunktionsstörung hinweisen. Eine Ultraschalluntersuchung kann strukturelle Veränderungen wie Zysten, Harnaufstau oder Nierenschrumpfung aufzeigen, außerdem ist hierbei indirekt eine Abschätzung der Nierendurchblutung möglich. Weitere Informationen liefern eine Computertomographie oder Angiographie, also die Gefäßuntersuchung der Niere.
Risikofaktoren
Risikofaktoren für die Entstehung von Nierenerkrankungen sind vor allem Krankheiten, welche die Blutgefäße schädigen. Hierzu gehören in erster Linie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und Bluthochdruck, weshalb Menschen mit diesen Erkrankungen besonders engmaschig hinsichtlich ihrer Nierenfunktion überwacht werden. Auch Rauchen kann die Nierendurchblutung stören und somit die Funktion der Niere beeinträchtigen.
Häufige Fragen
- Ist eine Zyste an der Niere ein Tumor?
- Kann man mit einer Niere ohne Dialyse leben?
- Wie ist der Aufbau der Niere?
- Was macht die Niere kaputt?
Der Begriff Tumor bezeichnet eine Schwellung oder Raumforderung, ohne etwas über deren Aufbau auszusagen oder in gutartige oder bösartige Strukturen zu unterscheiden. Eine Nierenzyste ist ein flüssigkeitsgefüllter, abgekapselter Hohlraum und somit formal ein Tumor. Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff Tumor allerdings eine bösartige Geschwulst, also eine Krebserkrankung, dies ist die Nierenzyste als zumeist gutartiger und häufig völlig harmloser Befund nicht.
Das einseitige Fehlen einer Niere kann angeboren oder Folge von Erkrankungen oder Verletzungen sein. Angeborene Fehl- oder einseitige Nichtanlagen fallen unter Umständen erst nach Jahren bei einer Ultraschalluntersuchung wegen einer anderen Erkrankung auf. Grundsätzlich besitzt die Niere eine große Reserve an Filtereinheiten, um Funktionsausfälle kompensieren zu können, sodass ein Leben ohne Einschränkungen mit Einzelniere durchaus möglich ist. Kommt es allerdings zu gehäufter Schädigung der Niere, so besteht ein erhöhtes Risiko für deren Funktionsverlust und eine spätere Dialysepflichtigkeit.
Die Niere setzt sich aus einer Rinde, in welcher der Primärharn gebildet wird, einigen Markpyramiden, in denen er konzentriert wird, und dem ableitenden System aus Nierenkelchen und Nierenbecken zusammen. Sie wird von einer Kapsel aus Bindegewebe und Fett umhüllt.
Bluthochdruck und Rauchen fördern die Entstehung von Ablagerungen in den Nierenarterien und reduzieren so die Durchblutung der Nieren, was diese wiederum schädigt. Eine Zuckerkrankheit (Diabetes) führt über die Jahre zu Umbauprozessen im Bereich der Nierenkörperchen und deren Filtermembran, es kommt zum unkontrollierten Verlust größerer Proteine. Gleichzeitig können aufsteigende Harnwegsinfektionen, aber auch allgemein entzündliche Erkrankungen im Körper, die Nieren mit betreffen und nach Ausheilung eine funktionsbeeinträchtigte Niere hinterlassen. Die Kombination dieser Krankheitsbilder, die häufig überlappend auftreten, bestimmt die Prognose der Nierenfunktion.