Inhaltsverzeichnis
Sie nimmt flächenmäßig einen großen Teil des Körpers ein und erfüllt gleich mehrere Funktionen: Die Rückenmuskulatur ist für den Menschen von unverzichtbarer Bedeutung. Ohne sie wäre beispielsweise der aufrechte Gang unmöglich. Doch nicht nur die Stabilität und Beweglichkeit der Wirbelsäule profitiert von den Muskelgruppen am Rücken: Auch an der Bewegung der Schultern und Arme und sogar an der Atmung sind die Rückenmuskeln beteiligt. Doch das System kann auch die Ursache für Schmerzen und Haltungsbeschwerden sein, die sich auf den Rücken beschränken, aber auch in die Schultern oder die Beine ausstrahlen können.
Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über die Rückenmuskulatur und beschreibt ihre Anatomie und ihren Verlauf. Außerdem geht der Text auf die Funktion des Systems im Allgemeinen und einzelner Muskeln im speziellen ein. Auch typische Beschwerden der Rückenmuskeln werden beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Rückenmuskulatur – Definition
Als Rückenmuskulatur (Latein: Musculi dorsi) bezeichnet man den Zusammenschluss mehrerer Muskelgruppen, die fast die gesamte dorsale Rumpfwand auskleiden und hauptsächlich für die Stabilität und Bewegungsfähigkeit des Rumpfes verantwortlich sind. Grob betrachtet gehören zu den Rückenmuskeln zwei Gruppen:
- die autochthone Rückenmuskulatur
- die eingewanderte Rückenmuskulatur
Außerdem stellen die kurzen Nackenmuskeln zwischen Os occipitale (Hinterhauptbein) und den oberen Halswirbeln eine Mischung aus beiden Systemen dar.
Rückenmuskulatur – Anatomie, Aufbau und Verlauf
Die Einteilung der Rückenmuskeln stammt von deren entwicklungsgeschichtlichen Herkunft. Während die autochthone Rückenmuskulatur beim Embryo der epaxialen Myotom (Muskelanlage), also direkt entlang der Wirbelsäule, entstammt, wird die sekundäre oder eingewanderte Rückenmuskulatur mit den Muskeln der oberen Extremität zusammen als hypaxiales Myotom angelegt und wandert entsprechend ihres Namens erst nachträglich (sekundär) zum Rücken. Beide großen Muskelgruppen werden durch die Fascia thoracolumbalis getrennt, die die autochthone Rückenmuskulatur umgibt.
Autochthone Rückenmuskulatur
Bei der autochthonen Rückenmuskulatur, die auch primäre Rückenmuskulatur oder M. erector spinae (langer Rückenstrecker) genannt wird, befindet sich direkt parallel der Wirbelsäule und stabilisiert das Knochengerüst. Sie besteht aus einem medialen und einem lateralen Trakt, wobei diese sich jeweils in weitere Systeme aufgliedern. Die genaue Zuordnung der Muskeln ist aber bis heute strittig. Alle Muskeln, die zugehörig zum M. erector spinae sind, werden von den Rami dorsales, also den hinteren Zweigen der Spinalnerven versorgt.
Sekundär eingewanderte Rückenmuskulatur
Die Sekundäre Rückenmuskulatur wird auch als nicht-autochthone oder eingewanderte Muskulatur bezeichnet. Streng genommen handelt es sich hierbei gar nicht um Musculi dorsi im engeren Sinne, denn sie werden mit der oberen Extremität im Kopf- und Oberarmbereich eines Embryos angelegt. Deshalb zählt man sie manchmal zu diesen Muskelgruppen. Die nicht-autochthone wird im Gegensatz zur autochthonen Rückenmuskulatur meist durch die Rami anterior (die vorderen Zweige) der Spinalnerven direkt, einzelne Muskeln auch durch deren Abzweigungen versorgt. Sie bildet drei Schichten, eine Oberflächliche, die am Relief des Rückens beteiligt ist, eine mittlere und eine Schicht.
Sekundäre Muskulatur – Oberflächliche Schicht
Die oberflächliche Schicht der sekundären Rückenmuskulatur ist durch den M. trapezius und den M. latissimus dorsi geprägt.
Letzterer ist der einzige spinohumerale Muskel der sekundären Rückenmuskulatur, zieht also von der Wirbelkette direkt zum Humerus, zum Oberarmknochen. Seine vier Teile (Pars vertebralis, iliaca, costalis und scapularis) beginnen getrennt und haben ihren gemeinsamen Ansatz vorne am Oberarmknochen. Entsprecht zieht der Latissimus unter dem Humerus durch und bildet auf seinem Weg die hintere Achselfalte und die Hinterwand der Regio axillaris. Die Funktion des M. latissimus dorsi wird durch seine andere Bezeichnung – „Schürzenbindermuskel“ – beschrieben: Er bewirkt eine Innenrotation, Adduktion und Retroversion. Außerdem ist er ein Atemhilfsmuskel und bewirkt vor allem die forcierte Ausatmung („Hustenmuskel“).
Größter Muskel im menschlichen Körper
Der M. latissimus dorsi ersteckt sich fast über den gesamten Rücken und ist damit der Muskel mit dem flächenmäßig größten Ausmaß. Aber Achtung: Volumentechnisch betrachtet ist der größte Muskel des Menschen der Gluteus maximus.
Der Trapezius ist eigentlich Teil des Schultergürtels und ein spinokapulärer Muskel. Das bedeutet, dass seine drei Abschnitte (Pars descendens, transversa und ascendens) von der Wirbelkette zum Schultergürtel, also vor allem zum Schulterblatt (Scapula) laufen. Seine Besonderheit: Er wird nicht nur durch den Plexus cervicalis (C2-4) versorgt, sondern auch durch den N. accessorius, den rein motorischen 11. Hirnnerv. Der auch als Kapuzenmuskel bezeichnete teil der oberflächlichen Schicht ist vor allem an der Fixierung des Schulterblatts beteiligt. Außerdem dreht der unter anderem die Scapula nach außen und hebt sie an, was die vollständige Elevation des Arms ermöglicht.
Mittlere Schicht
Unter dem Trapezius finden sich weitere spinokapuläre Muskeln: Von kranial nach kaudal der M. levator scapulae, der M. rhomdoideus minor und der M. rhombdoideus major. Alle drei sind paarig angelegt und werden durch den N. dorsalis scapulae aus C4-5 versorgt. Neben der Neigung des Kopfes ist ihre Hauptaufgabe die Rückstellung der Scapula in ihre Ausgangs- beziehungsweise Medial-Stellung.
Klinik: Scapula alata
Das Schulterblatt ist nicht durch Knochen oder Bänder, sondern fast nur durch Muskulatur am Rumpf befestigt. Dadurch ist seine Beweglichkeit gesichert. Fällt jedoch einer der spinokapulären Muskeln oder der ebenfalls beteiligte M. serratus anterior aus, kann die Scapula nicht in ihre Ausgangsstellung zurückkehren. Das Resultat ist eine „Scapula alata“, ein Phänomen, bei dem die Schulterblätter wie Flügel nach hinten stehen. Grund kann eine Muskelläsion, eine Nervenschädigung des N. accessorius, N. dorsalis scapulae oder N. thoracicus longus oder eine generelle Erkrankung wie Duchenne-Muskeldystrophie sein.
Tiefe Schicht
Die tiefste Schicht der Rückenmuskeln besteht aus spinokostaler Muskulatur, die ebenfalls an der Wirbelkette beginnt und zu den Rippen läuft. Die beteiligten Muskeln sind, anders als der Rest der Rückenmuskulatur, weniger an der Bewegung des Rumpfes beteiligt, sondern dienen vor allem als Atemhilfsmuskeln. Beteiligte Muskeln sind der M. serratus posterior superior und der M. serratus posterior inferior. Der obere Teil zieht von den Halswirbeln zu den Rippen und dient als Rippenheber bei der Inspiration, der untere beginnt an den letzten Thorakalwirbeln und zieht nach oben, dient also bei Kontraktion als Rippensenker bei der Expiration. Beide Muskeln liegen direkt der Fascia thorakolumbalis auf und sind bei den meisten Menschen mit ihr verwachsen. Die Ausprägung dieser Muskulatur ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, manchmal fehlt sie komplett. Neben den Spinal- werden sie unter anderem von Interkostalnerven innerviert.
Rückenmuskulatur – Funktion und Bedeutung
Die Rückenmuskulatur erfüllt mehrere Aufgaben für den menschlichen Rumpf. Vor allem dient sie als Stabilisierung, ohne sie wäre die Wirbelsäule nur ein klappriges Gerüst, das lediglich durch einige Bänder verbunden ist. Hierbei ist vor allem die autochthone Rückenmuskulatur von Bedeutung, die direkt auf die Wirbel einwirkt. Sie ermöglicht außerdem die Bewegungen des Oberkörpers (Flexion/Extension, seitliche Flexion und Rotation).
Die sekundäre Rückenmuskulatur hat ihre Auswirkung weniger am Rücken direkt, sondern eher an der oberen Extremität. Über den Schultergürtel bewirkt sie eine Erweiterung der Beweglichkeitsgrade des Schultergelenks, vor allem bei der Abduktion, Adduktion und Retroversion Außerdem unterstützen Teile der eingewanderten Rückenmuskeln das Zwerchfell und die Interkostalmuskeln als Hilfe und ermöglichen eine verstärkte Atmung, beispielsweise bei erhöhtem Sauerstoffbedarf.
Rückenmuskeln – Beschwerden und Krankheiten
Die Rückenmuskulatur verursacht häufig Schmerzen und ist Ursache für Beschwerden bei der Bewegung und für Schonhaltungen. Grund dafür ist meist eine akute Überlastung der Muskulatur, häufig im unteren Rückenbereich. Übungen, die die Rückenmuskeln stärken, können dieser Art von Schmerzen vorbeugen oder ihre Ausmaße lindern. Leidet man bereits unter Problemen wie Kreuzschmerzen, sollte man, wenn möglich, eine/n Physiotherapeuten/-in zu Rate ziehen.
Deutschlands kaputter Rücken
Als Kreuzschmerzen wird jede dorsale Schmerzsymptomatik zwischen dem unteren Rippenbogen und dem oberen Beckenrand bezeichnet. Die Ursachen können vielfältig sein, sind aber häufig auf die Muskulatur zurückzuführen. Im Schnitt leiden neun von zehn Deutsche mindestens einmal in ihrem Leben unter Kreuzschmerzen.
Hexenschuss
Der Hexenschuss ist eine besondere Form der Kreuzschmerzen, die bei Betroffenen häufig eine starke Symptomatik auslöst. Der rund ist meist eine Überlastung der Muskeln (häufig am unteren Rücken), die durch eine akute Bewegung zu entsprechenden Beschwerden führt. In vielen Fällen führt der Hexenschuss dazu, dass Betroffene ihren Oberkörper nicht mehr – oder nur unter starken Schmerzen – aufrichten können und in einer gebeugten Schonhaltung bleiben. Obwohl der Hexenschuss auch Lumbago, also Lendenschmerz, genannt wird, besteht seine Charakteristik darin, dass er nur am Rücken besteht und nicht beispielsweise in die Beine ausstrahlt.
Häufige Fragen
- Kann man die autochthone Rückenmuskulatur trainieren?
- Warum ist es wichtig die Rückenmuskulatur zu trainieren?
- Was ist die eingewanderte Rückenmuskulatur?
Die autochthone Rückenmuskulatur liegt in der Tiefe des Rückens und wird beim normalen Krafttraining meistens nicht direkt angesteuert. Dabei ist ihre Stabilität förderlich, um Kreuzschmerzen und anderen Arten der Überlastungsbeschwerden vorzubeugen. Übungen, die die autochthone Rückenmuskulatur ansteuern, schließen kleine Drehbewegungen und Balanceübungen des Oberkörpers mit ein.
Die Rückenmuskulatur trägt einen wichtigen Teil zur Stabilität des Rumpfes und damit zum aufrechten Gang bei. Fällt diese Unterstützungsfunktion weg, leiden betroffene häufig unter Rücken- oder Nackenschmerzen. Besonders häufig treten die Beschwerden bei Menschen auf, die berufstechnisch oder in ihrer Freizeit viel am Schreibtisch – häufig in gebeugter Haltung – sitzen. Doch auch eine monotone Belastung kann zu Beschwerden führen. Deshalb sollte man seine Rückenmuskulatur stets in alle Richtungen bewegen und die Muskulatur moderat stärken, ohne sie zu überlasten.
Die eingewanderte Rückenmuskulatur – auch sekundäre oder nicht-autochthone Rückenmuskulatur genannt – gehört eigentlich gar nicht zu den Rückenmuskeln im engeren Sinne, denn sie stammt aus der Anlage der oberen Extremitäten und wandert erst während der weiteren Entwicklung zum Rücken. Entsprechend gehört zu ihren Aufgaben auch die Bewegung der Arme und Schultern sowie die Rolle als Atemhilfsmuskulatur.
- Schünke et al., Prometheus LernAtlas – Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem, Thieme (Verlag), 6. Auflage, 2022
- Kirsch et al., Taschenlehrbuch Anatomie, Thieme (Verlag), 2. Auflage, 2017
- Aumüller et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme (Verlag), 5. Auflage, 2020
- Rückenmuskulatur, https://viamedici.thieme.de/lernmodul/556959/529628/r%C3%BCckenmuskulatur, (Abrufdatum 01.08.2023)
- Differenzierung des intraembryonalen Mesoderms, https://viamedici.thieme.de/lernmodul/556959/529628/r%C3%BCckenmuskulatur, (Abrufdatum 01.08.2023)