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Muskelschlingen bezeichnen in der Anatomie die koordinierte Zusammenarbeit mehrerer Muskeln oder Muskelgruppen, die gezielte Bewegungen ausführen und stabilisieren. Ob lokal an einem Gelenk oder global über mehrere Gelenke hinweg, sie stellen ein zentrales Konzept der funktionellen Anatomie und Physiotherapie und dienen der Kraftübertragung, Bewegungskoordination und Stabilität. Der folgende Artikel stellt die Muskelschlingen mit besonderem Fokus auf die Schlingen der Schulter vor und erläutert deren Anatomie, Funktion und klinische Bedeutung.
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Muskelschlingen – Definition
Muskelschlingen sind funktionelle Einheiten mehrerer Muskeln, die gemeinsam eine bestimmte Bewegung ermöglichen oder stabilisieren. Sie wirken in funktionellen Ketten als Antagonisten oder Synergisten zusammen und können lokal an einem Gelenk oder global über mehrere Gelenke wirken.
Muskelschlingen – Anatomie
Muskelschlingen umfassen verschiedene Muskelgruppen, die oft über Körperregionen hinweg zusammenarbeiten. Sie sind in einer kinematischen Kette miteinander verbunden. Lokale Muskelschlingen wirken um ein einzelnes Gelenk, während globale Muskelschlingen über mehrere Gelenke und Körperabschnitte hinweg laufen und so komplexe Bewegungen ermöglichen.
Zu den lokalen Muskelschlingen zählen beispielsweise die folgenden Apparate:
- Patellarsehnenapparat: Der M. quadriceps femoris aus vier Köpfen, die über die gemeinsame Quadrizepssehne, die Patella und die Patellarsehne an der Tibia (Schienbein) ansetzen.
- Rotatorenmanschette: Die Rotatorenmanschette ist eine Muskelschlinge um das Schultergelenk, die dadurch umschlossen und stabilisiert wird.
Globale Muskelschlingen sind beispielsweise die ventralen und dorsalen Muskelschlingen der unteren Extremität, die Becken, Hüfte, Knie und Fuß verbinden. Die ventrale Schlinge wird vor allem durch den M. obliquus externus abdominis und die kontralateralen Adduktoren gebildet. Die dorsale Schlinge umfasst den M. latissimus dorsi, den kontralateralen M. gluteus maximus und unterstützend den M. erector spinae.
Die laterale Schlinge, bestehend aus dem M. gluteus medius, dem M. tensor fasciae latae und den antagonistisch wirkenden Adduktoren, stabilisiert das Becken bei Bewegungen wie Gehen, Laufen oder Heben.
Muskelschlingen der Schulter
Die Muskelschlingen der Schulter sind zudem gruppierte Muskeln, die entweder ihren Ursprung oder ihren Ansatz an Knochenstrukturen der Scapula (Schulterblatt) haben. Diese Schlingen stabilisieren die Scapula in ihrer Gleitbewegung auf dem Thorax und ermöglichen die koordinierte Bewegung des Schultergürtels. Es werden vier Muskelschlingen unterschieden:
- Schräge Schlinge: Die Mm. rhomboidei und der M. serratus anterior bewegen die Scapula auf einer dorsal-kranial bis ventral-kaudalen Schiene
- Horizontale Schlinge: M. serratus anterior und die Pars transversa des M. trapezius verschieben und rotieren die Scapula auf einer medial-lateralen Linie
- Senkrechte vordere Schlinge: Bestandteile sind der M. pectoralis minor und die Pars descendens des M. trapezius. Sie verschieben und rotieren die Scapula auf einer kranial-kaudalen Linie
- Senkrechte hintere Schlinge: Bestandteile sind der M. levator scapulae und die Pars ascendens des M. trapezius, die die Scapula ebenfalls auf einer kranial-kaudalen Schiene verschieben und rotieren
Scapula alata
Die Scapula alata entsteht beispielsweise durch das Tragen eines schweren Rucksacks, wodurch der N. thoracicus longus geschädigt wird. In der Folge ist der M. serratus anterior in seiner Funktion eingeschränkt und zieht die Scapula nicht mehr an den Thorax, wodurch die Scapula an ihrer medialen Seite flügelartig (aus dem Lat. von "ala") absteht.
Muskelschlingen – Funktion
Muskelschlingen wirken oft in einer funktionellen Kette agonistisch-antagonistisch oder diagonal verschränkt. Sie erfüllen mehrere zentrale Aufgaben. Zum einen leiten sie Kräfte zwischen Rumpf und Extremitäten weiter, zum Beispiel beim Gehen von der Beckenrotation zur Armbewegung. Sie dienen der Bewegungskoordination, denn durch das Zusammenwirken antagonistischer und synergistischer Muskeln entstehen flüssige, ökonomische Bewegungen. Zusätzlich tragen sie so zur präzisen Bewegungskontrolle bei.
Schlingen stabilisieren zudem das Becken und die Wirbelsäule in dynamischen Situationen. So wirken sie an der posturalen Stabilität mit, was bedeutet, dass sie dazu beitragen, eine Position beständig beizubehalten. Außerdem dienen Muskelschlingen der Effizienz. Kommt es zum Ausfall eines Muskels, kann die Schlinge teilweise kompensieren, um die Bewegung aufrechtzuerhalten.
Muskelschlingen – Klinik
Störungen in Muskelschlingen führen zu Bewegungsstörungen, Instabilitäten oder Fehlhaltungen. Typische klinische Aspekte sind Dysbalancen. Bei solchen Dysbalancen zwischen ventralen und dorsalen Schlingen kommt es beispielsweise zu Rückenschmerzen. Zudem kann es zu posturalen Schwächen kommen, wenn durch eine überweigend sitzende Lebensweise die dorsale Schlinge abgeschwächt ist.
Generell kommt es durch eingeschränkte Kraftübertragung und fehlerhafte Bewegungsmuster beim Gehen oder Laufen zu Bewegungsstörungen.
Trendelenburg-Zeichen
Das Trendelenburg-Zeichen ist ein klinisches Zeichen, das durch eine Parese der Mm. glutei medius und minimus auftritt. Durch Schwäche der hinteren Schlinge kommt es zu einer typischen Beckenabsenkung, die das Zeichen ausmacht.
In der Physiotherapie wird gezielt an der Wiederherstellung der Schlingenfunktion gearbeitet. Dazu werden Stabilisationstraining (Core Stability), funktionelles Training und auch manuelle Therapien zur Wiederherstellung der Muskelbalance durchgeführt.
Häufige Fragen
- Welche Arten von Muskelschlingen gibt es?
- Welche Rolle spielen Muskelschlingen beim Gehen?
- Welche Funktion haben Muskelschlingen?
- Was passiert, wenn eine Muskelschlinge gestört ist?
Es gibt lokale und globale Muskelschlingen. Lokale Muskelschlingen wirken um ein einzelnes Gelenk, wie die Rotatorenmanschette an der Schulter oder der Patellarsehnenapparat am Knie. Globale Muskelschlingen verbinden mehrere Gelenke oder Körperarbschnitte miteinander, beispielsweise die vordere und hintere diagonale Schlinge zwischen Rumpf und Beinen.
Beim gehen arbeiten die diagonalen Muskelschlingen, zum Beispiel der Latissimus dorsi und kontralateraler M. gluteus maximus, zusammen um Rumpfrotation, Beckenstabilität und Vortrieb zu koordinieren. Ohne funktionierende Schlingen wäre ein harmonischer Gang nicht möglich.
Muskelschlingen sorgen für Kraftübertragung zwischen Rumpf und Extremitäten, Bewegungskoordination und flüssige Bewegungsabläufe, Stabilität des Bewegungsapparates (besonders des Beckens und der Wirbelsäule) und Effizienz, da sie harmonische und ökonomische Bewegungen ermöglichen.
Wenn einzelne Muskeln einer Schlinge geschwächt oder überlastet sind, kommt es zu Fehlbelastungen, Schmerzen und Koordinationsstörungen bei komplexen Bewegungen. Die Fehlbelastungen zeigen sich beispielsweise durch Beckenabsenkung, Skoliose oder Schulterinstabilität. Schmerzen treten zum Beispiel als Lumbalgie, Patellaspitzensyndrom oder Impingement auf.
- Schulter und Schultergürtel, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 09.11.2025)
- Schünke et al. (Hrsg.): Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 4. Auflage hieme 2014




