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Der Liquor cerebrospinalis wird häufig auch als Hirnwasser bezeichnet, was seiner Funktion nicht wirklich gerecht wird. Tatsächlich erfüllt die Hirnflüssigkeit wichtige Aufgaben im Gehirn, wobei seine Bedeutung meist erst auffällt, wenn eine Erkrankung vorliegt und das Gleichgewicht verändert wird. Mehr zum Liquor, die Anatomie des Liquorsystems, seine Funktion aber auch zu seiner klinischen Bedeutung und Krankheiten beschreibt dieser Artikel.
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Liquor – Definition
Als Liquor (Latein: Liquor cerebrospinalis) bezeichnet man die Flüssigkeit, die das Zentrale Nervensystem (ZNS) – bestehend aus Gehirn und Rückenmark – umgibt. Er befindet sich im Subarachnoidalraum, also zwischen der mittleren (Arachnoidea mater) und innersten (Pia mater) Hirnhaut. Vor allem dient er als Schutz für das in ihm liegende Gehirn und Rückenmark. Klinisch kann die Zusammensetzung des Liquor cerebrospinalis für die Diagnostik von Krankheiten im und am ZNS genutzt werden.
Liquor – Anatomie und Lage
Das Gehirn besteht nicht aus einer kompakten Masse, sondern hat vier Hohlräume – sogenannte Ventrikel – die über Durchgänge (Foramen und Aquedukte) miteinander verbunden sind. Dieses sogenannte innere Liquorsystem ist mit einem äußeren Liquorsystem im Subarachnoidalraum verbunden. Das innere Liquorsystem des Rückenmarks ist der Canalis centralis. Die Hirnflüssigkeit unterliegt dabei einem Kreislauf: Sie wird im Plexus choroideus gebildet, der die Ventrikel seitlich und am Dach bedeckt. Sie zirkuliert von innen nach außen über die Apertura mediana und die Aperturae laterales. Schließlich fließt die Flüssigkeit über die Granulationes arachnoideae (Ausstülpungen der Arachnoidea im Bereich der Zentralfurche oder Sulcus centralis zwischen den Hirnhemisphären) in den Sinus saggitalis oder die Diploe-Venen ab.
Liquor – Funktion
Die wichtigste Funktion des Liquor cerebrospinalis ist der Schutz von Gehirn und Rückenmark. Diese schweben nach dem Prinzip des Auftriebs mehr oder weniger in der Flüssigkeit, was eine Stoßdämpfung zu allen Seiten hin ermöglicht. Darüber hinaus ermöglicht der Liquor mit seiner vom Blutplasma abweichenden Zusammensetzung die Homöostase im Hirn, also die Verhältnisse, die für die Funktion von Signalwegen, beispielsweise über Ionenkanäle, sorgen. Die Hirnflüssigkeit selbst ist klar und im physiologischen Zustand annährend zellfrei. Im physiologischen Zustand ist der Proteingehalt es Hirnwassers außerdem in Verhältnis zum Blutplasma stark erniedrigt. Die Zusammensetzung des Liquors lässt klinisch sich gut für die Diagnostik von verschiedenen Erkrankungen nutzen. Die physiologische Zusammensetzung des Liquor cerebrospinalis ist altersabhängig, die folgende Tabelle fasst Referenzwerte für die Messgrößen zusammen:
Kriterium | Normalbefund |
Farbe | Klar (nicht schäumend) |
Zellzahl | < 5 / µl |
Glukose | 50 – 80 % der Serum-Glukose |
Laktat | 1,1-2,6 mmol/l |
Gesamteiweiß | 200-500 mg/l |
Liquor – Untersuchung und Krankheiten
Wie weiter oben im Text erwähnt lassen sich einige Diagnosen von Krankheiten des ZNS über eine Untersuchung des Liquors stellen. Doch auch durch das Zirkulationssystem des Hirnwassers selbst können primäre oder sekundäre Krankheiten entstehen.
Liquordiagnostik
Die Liquorpunktion führt man meist in Form einer Lumbalpunktion im Bereich der Cauda equina – der fädenförmigen Verlängerung des Rückenmarks nach kaudal – zwischen Lendenwirbelkörper 3 und 4 oder 4 und 5 durch. Auch eine Entnahme in der Cisterna cerebellomedullaris (magna) unter dem Kleinhirn ist möglich, wird aber auf Grund des hohen Verletzungsrisikos nur selten durchgeführt. Im Subarachnoidalraum entnimmt man 2 bis 4 ml Liquor. Bei der „3-Gläser-Probe“ werden drei Proben entnommen, um Blutungen, die durch den Eingriff selbst entstehen zu detektieren.
Kontraindikationen der Liquorpunktion
Vor der Liquorentnahme muss man sowohl erhöhten Hirndruck als auch – etwa bei komatösen Patienten/-innen – eine Raumforderung im ZNS ausschließen. Sonst kann es zu einer sogenannten Einklemmung, also der Kompression von bestimmten Strukturen im Gehirn, kommen.
Bei der Labordiagnostik werden chemische, zytologische und mikrobiologische Untersuchungen durchgeführt. Die Werte vergleicht man dabei stets mit dem Serum-Gehalt. So lassen sich beispielsweise Infektionen durch Viren oder Bakterien, chronisch entzündliche Erkrankungen oder sogar Tumore detektieren.
Eiweiß im Liquor erhöht
Eine Erhöhung des Eiweiß im Liquor kann unterschiedliche Ursachen haben:
- Eine systemische Erhöhung des Eiweiß im Serum
- Eine Störung der Blut-Liquor-Schranke
- Eiweiß-, bzw. Antikörperbildung im Liquorraum
Eine systemische Protein-Erhöhung kann ein Zeichen für Störungen, die weit außerhalb des Liquorraums vorliegen, sein. Die Blut-Liquor-Schranke kann durch eine Hirnhautentzündung (Meningitis), einen Tumor oder ein Trauma gestört sein. Je nachdem wie weit die Störung vorangegangen ist, lassen sich Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Liquor finden, die bei hohem Gehalt sogar makroskopisch (gelblich bis rote Probe) erkennbar sind. Isolierte Eiweißbildung im Liquor kann einen Befall durch Viren oder Bakterien als Ursache haben, aber auch Zeichen für einen entzündlichen Prozess (beispielsweise Multiple-Sklerose) sein. Generell sollte man die Werte immer in ihrer Gesamtheit betrachten und nicht das Eiweiß isoliert.
Hydrocephalus
Ein Hydrocephalus („Wasserkopf“) ist die Erweiterung der inneren und/oder äußeren Liquorräume. Grund dafür kann eine Störung in der Liquorproduktion oder -Zirkulation sein. Symptome für den Hydrocephalus können neurologische Störungen, Schwindel, Übelkeit und eine sogenannte Stauungspapille sein. Bei Kleinkindern tritt der Hydrocephalus häufig aufgrund von Fehlbildungen oder Tumoren auf und ist durch einen Makrozephalus, also eine Vergrößerung des Kopfs, bei der sich häufig die Fontanelle nach außen wölbt, charakterisiert. Bei ihnen kann die Krankheit zu Entwicklungsstörungen und geistiger Retardierung führen. Neben der Liquorpunktion gehören bildgebende Verfahren zur Diagnostik.
Häufige Fragen
- Wo befindet sich die Blut-Liquor-Schranke?
- Welche Funktion erfüllt der Liquor cerebrospinalis?
- Wo wird Liquor im Gehirn gebildet?
- Wo befindet sich der Liquor im Rückenmark?
- Zeigt sich eine virale Meningitis im Liquor?
Die Blut-Liquor-Schranke wird von den Zellverbindungen des Plexus choroideus (Tight junctions) gebildet, der sich an den Seiten und am Dach der Hirnventrikel befindet. Sie trennt das Blut-v vom Liquorsystem.
Der Liquor umhüllt das Gehirn und das Rückenmark wie ein Wasserballon und erfüllt vor allem eine Schutzfunktion. Auch bei Stößen gegen den Kopf wird das ZNS, das durch den Auftrieb fast frei im Hirnwasser schwebt, kaum in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem hält der Liquor eine Homöostase, also das Ionengleichgewicht im Gehirn, das Kommunikation zwischen Nervenzellen möglich macht.
Der Liquor wird vom sogenannten Plexus choroideus gebildet, die die Hirnventrikel auskleidet und eine Barriere zwischen Blut- und Liquorsystem bildet. Durch die Blut-Hirn-Schranke, die aus den Wänden und der Basalmembran des Plexus und Ausläufern von Astrozyten besteht, werden nur einige Bestandteile des Blutes gelassen.
In der Mitte des Rückenmarks befindet sich ein Hohlraum, der Canalis centralis, der mit Liquor cerebrospinalis gefüllt ist. Wie das Gehirn auch umgeben die drei Hirnhäute das Rückenmark. Im Subarachnoidalraum ist der Liquor, der das ZNS umfließt. Hier findet auch die Liquorpunktion statt.
Eine virale Meningitis, also eine Hirnhautentzündung, die durch Viren ausgelöst wird, zeigt sich oft diffus im Liquor, da die Zellzahl und die Proteine leicht erhöht sind, die Glucose- und Laktat annährend gleich bleiben. Charakteristisch sind Abwehrzellen in Form von Lymphozyten.
- Schünke et al., Prometheus LernAtlas – Kopf, Hals und Neuroanatomie, Thieme (Verlag), 6. Auflage, 2022
- Schmeißer et al., Kurzlehrbuch Neuroanatomie, Thieme (Verlag), 2. Auflage, 2020
- Kirsch et al., Taschenlehrbuch Anatomie, Thieme (Verlag), 2. Auflage, 2017
- Silbernagl et al., Physiologie, Thieme (Verlag), 9. Auflage, 2019
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- Largiadèr et al., Checkliste Chirurgie, Thieme (Verlag), 12. Auflage, 2022
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- Liquordiagnostik, https://viamedici.thieme.de/... (Abrufdatum 26.06.2023)
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