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Estradiol ist ein zentrales Hormon im menschlichen Körper und gehört zur Gruppe der Östrogene, den primären weiblichen Geschlechtshormonen. Es spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und Funktion des weiblichen Fortpflanzungssystems, wirkt aber auch in zahlreichen anderen Geweben. Aufgrund seiner vielseitigen Wirkungen ist Estradiol ein wesentlicher Bestandteil zahlreicher physiologischer Prozesse im weiblichen und in geringerer Menge auch im männlichen Körper. In diesem Artikel sollen Aufbau, Wirkung und Abbau des Estradiols beschrieben werden.
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Estradiol – Definition
Estradiol (auch Östradiol) ist das wichtigste und biologisch aktivste weibliche Sexualhormon im Körper. Es wird vor allem in den Ovarien (Eierstöcken) produziert, in geringeren Mengen aber auch in der Nebennierenrinde, im Fettgewebe und beim Mann in den Hoden.
Estradiol – Aufbau und Synthese
Estradiol ist wie Cortisol ein Steroidhormon und wird zu kleineren Anteilen auch in der Nebennierenrinde produziert. Den Großteil des Estradiols stellt aber das Ovar her. Dort sind vor allem zwei Zelltypen für die Synthese des weiblichen Sexualhormons verantwortlich: Die Theca-Interna-Zellen und die Granulosazellen. Die Theca-Interna-Zellen umgeben die Granulosazellen, die wiederum die Eizelle im Follikel umgeben.
Die ersten Schritte der Synthese von Estradiol findet in den Theca-Interna-Zellen statt. Aus der Ausgangssubstanz Cholesterin entsteht Progesteron, welches über das Enzym 17,20 Lyase zum Androgen Androstendion katalysiert wird. Dieses Androstenion steht den benachbarten Granulosazellen zur Verfügung, denn in ihnen findet die nächste Reaktion statt, bei der Androstendion zu Testosteron oxidiert. Das Testosteron wird im letzten Schritt zum Estradiol aromatisiert. Das zuständige Enzym ist die Aromatase.
Östron
Androstendion kann auch direkt durch die Aromatase aromatisiert werden, wodurch das weibliche Sexualhormon Östron entsteht. Es wirkt wie Estradiol, hat nur weniger biologische Aktivität.
Da Estradiol ein lipophiles Hormon ist, wird es im Blut überwiegend an Proteine gebunden transportiert. Bei diesem Transportprotein handelt es sich um SHBG (Sexhormon-bindendes Globulin), an das Östrogene in 98 Prozent gebunden sind.
Estradiol – Wirkung und Funktion
Estradiol ist das wichtigste Östrogen im menschlichen Körper und spielt eine zentrale Rolle in der Regulation des weiblichen Zyklus sowie der Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale. Darüber hinaus beeinflusst es zahlreiche weitere Körperfunktionen, darunter den Knochenstoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System und das zentrale Nervensystem.
Weiblicher Phänotyp
Der weibliche Phänotyp, der sich vor allem während der Pubertät entwickelt, wird durch Estradiol beeinflusst. Typischerweise kommt es durch das Hormon zur Umverteilung von Fettgewebe, Brustwachstum und Behaarung an den für Frauen typischen Stellen. Da Östrogen auch von Fettzellen (Adipozyten) produziert wird, kann man mit unter auch bei adipösen Männern Brustansätze beobachten.
Knochenstoffwechsel
Estradiol hemmt den Abbau von Knochensubstanz, indem es die Synthese oder Ausschüttung von Wachstumshormon (GH), IGF-1 und 1,25 Dihydroxy-Vitamin D3 induziert.
Postmenopausale Osteoporose
Die postmenopausale Osteoporose entsteht vor allem durch den Rückgang des Östrogenspiegels nach den Wechseljahren, was zu einem beschleunigten Knochenabbau führt. Besonders betroffen sind trabekelreiche Knochen wie Wirbelkörper und Schenkelhals, wodurch das Risiko für Frakturen deutlich steigt.
Rolle im Menstruationszyklus
In der frühen Follikelphase stimuliert FSH die Reifung mehrerer Tertiärfollikel. Die Granulosazellen dieser Follikel beginnen mit der Produktion von Estradiol über die Umwandlung von Androgenen durch die Aromatase. Estradiol fördert in dieser Phase die Follikelreifung durch Erhöhung der FSH-Rezeptordichte an Granulosazellen und übernimmt die Selektion des dominanten Follikels, da nur dieser ausreichend Estradiol produziert, um das weitere Wachstum aufrechtzuerhalten. Auch die Proliferation des Endometriums in der Gebärmutterschleimhaut zur Vorbereitung auf eine mögliche Implantation ist eine wichtige Funktion des Estradiols.
Kurz vor der Ovulation steigt der Estradiolspiegel stark an. Hohe Estradiolkonzentrationen bewirken eine positive Rückkopplung auf Hypothalamus und Hypophyse. Es kommt zur Auslösung des LH-Peaks, der die Ovulation triggert und zur Induktion der Wiederaufnahme der Meiose in der Eizelle. Außerdem verändert das Hormon den Zervixschleim zur Erleichterung der Spermienmigration.
Nach dem Eisprung wird der Follikel zum Corpus luteum, das Progesteron und weiterhin geringe Mengen Estradiol produziert. Estradiol wirkt nun in Kombination mit Progesteron und stabilisiert das Endometrium und bereitet es auf die Nidation vor. Eine negative Rückkopplung auf GnRH, LH und FSH verhindert eine erneute Follikelreifung.
Kommt es nicht zur Befruchtung, degeneriert das Corpus luteum, wodurch Estradiol- und Progesteronspiegel abfallen. Dies führt zur Menstruation also auch Abstoßung eines Teils des Endometriums und dem Beginn eines neuen Zyklus.
Rezeptoren
Wie bei den Steriodhormonen üblich, bindet auch das Östradiol an nucleäre Rezeptoren, die die Exprimierung verschiedener Gene verändern. Bei den Östrogenrezeptoren spricht man vor allem über die Typen ERα und ERβ, wobei die meisten Effekte über ERα vermittelt werden und die Proliferation des Endometriums vor allem durch ERβ hervorgerufen wird.
Regulation
Die Regulation von Estradiol erfolgt über die hypothalamisch-hypophysär-gonadale Achse und unterliegt einem komplexen hormonellen Regelkreis, insbesondere im Rahmen des weiblichen Menstruationszyklus.
Die Ausschüttung von GnRH (Gonadotropin Releasing Hormon) aus dem Hypothalamus führt zu einer vermehrten Freisetzung von LH und FSH aus der Hypophyse. LH stimuliert vor allem die Theca-Interna-Zellem bei der Produktion von Progesteron und Androstendion. Die Granulosazellen werden dagegen vor allem durch FSH stimuliert. FSH fördert hier die Expression der Aromatase, die das wichtigste Enzym bei der Herstellung von Estradiol darstellt.
Die Rückkopplungsmechanismen von Estradiol auf den Hypothalamus und die Hypophyse sind konzentrations- und phasenabhängig und spielen eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Menstruationszyklus. Niedrige bis moderate Estradiolspiegel führen zu einer negativen Rückkopplung. Das heißt es kommt zur Hemmung der GnRH-Freisetzung im Hypothalamus und damit zur Reduktion der FSH- und LH-Ausschüttung aus dem Hypophysenvorderlappen. Diese Hemmung dient dazu, eine übermäßige Stimulation der Ovarien zu vermeiden und die Reifung nicht-dominanter Follikel zu unterdrücken.
Hohe Estradiolspiegel dagegen, wie sie in der späten Follikelphase durch den heranreifenden dominanten Follikel erreicht werden, bewirken eine positive Rückkopplung. Das heißt es tritt eine verstärkte pulsatile Ausschüttung von GnRH auf, woraus ein rapider Anstieg von LH, der sogenannte LH-Peak, und in geringerem Maße auch FSH resultiert. Diese hormonelle Umstellung löst die Ovulation (Eisprung) aus.
Estradiol – Abbau
Der Abbau von Estradiol findet in der Leber statt. In der ersten Phase wird das Sexualhormon oxidiert und im Anschluss mit Glucoronsäure konjugiert oder sulfatiert. Außerdem wird das Hormon in der Leber hydroxyliert und zu Katecholöstrogen methyliert. Die Gruppe der Katecholöstrogene hat wahrscheinlich Interaktionen mit Neurotransmitern und spielt vermutlich eine Rolle bei einigen Erkrankungen.
Häufige Fragen
- Was ist Estradiol?
- Wie wird Estradiol im Körper gebildet?
- Welche Organe sind an der Estradiol-Produktion beteiligt?
- Wann im Zyklus ist der Estradiolspiegel am höchsten?
- Welche physiologischen Wirkungen hat Estradiol?
Estradiol ist das wichtigste natürliche Östrogen im menschlichen Körper. Es wird hauptsächlich in den Eierstöcken gebildet und spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Menstruationszyklus, der Entwicklung der weiblichen Geschlechtsmerkmale sowie beim Aufbau der Gebärmutterschleimhaut.
Estradiol wird im Körper hauptsächlich in den Ovarien gebildet, genauer gesagt in den Granulosazellen der wachsenden Follikel. Die Bildung erfolgt durch Umwandlung von Androgenen, die in den Thekazellen unter dem Einfluss von LH produziert werden. Bei Männern und in geringem Maße auch bei Frauen nach der Menopause wird Estradiol zusätzlich im Fettgewebe und in der Nebennierenrinde aus Androgenen gebildet.
An der Estradiol-Produktion sind hauptsächlich die Ovarien beteiligt, genauer die Theka- und Granulosazellen der Follikel. Unterstützend wirken die Hypophyse (über LH und FSH) und der Hypothalamus (über GnRH), die die Hormonfreisetzung steuern. In geringem Maße erfolgt die Estradiolbildung auch in Fettgewebe und Nebennierenrinde.
Der Estradiolspiegel ist im Menstruationszyklus kurz vor dem Eisprung (Ovulation) am höchsten – typischerweise um den 12. bis 14. Tag bei einem 28-Tage-Zyklus. Dieser Östrogen-Peak bewirkt über positive Rückkopplung den LH-Anstieg (LH-Peak), der den Eisprung auslöst. Nach dem Eisprung sinkt der Estradiolspiegel zunächst leicht ab und steigt dann in der Lutealphase erneut, aber weniger stark.
Es steuert den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, fördert die Reifung der Eizelle und bereitet den Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Zudem beeinflusst es die Brustentwicklung, den Zervixschleim (durchlässiger für Spermien), stärkt die Knochenstruktur und verbessert das Lipidprofil.
- Silbernagel, Stefan et. al.: Physiologie (Thieme, 8. Auflage, 2018)
- Löffler/Petrides: Biochemie und Pathobiochemie, Springer, 10. Auflage




