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Die Fähigkeit, Urin und Stuhl kontrolliert zurückzuhalten und gezielt auszuscheiden, ist eine grundlegende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und spielt eine zentrale Rolle für das körperliche sowie soziale Wohlbefinden des Menschen. Diese Fähigkeit wird als Kontinenz bezeichnet und beruht auf einem koordinierten Zusammenspiel anatomischer Strukturen und neurophysiologischer Prozesse im Bereich des Harn- und Darmtrakts. Nur durch das fein abgestimmte Wirken von Muskeln und Haltestrukturen kann die Kontinenz aufrechterhalten werden. Kommt es zu einer Störung dieser Systeme, kann es zur Inkontinenz kommen, welche für Betroffene sowohl medizinisch als auch psychosozial eine Belastung darstellt. Der folgende Artikel befasst sich mit der Physiologie, Pathophysiologie und Klinik der Kontinenz.
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Kontinenz – Definition
Kontinenz bezeichnet die Fähigkeit, Urin und Stuhl zurückzuhalten und den Zeitpunkt der Entleerung willkürlich zu bestimmen. Sie ist bestimmt durch das Zusammenwirken verschiedener anatomischer und neurophysiologischer Strukturen des Harn- und Darmtrakts.
Kontinenz – Physiologie
Die Stuhlkontinenz bezeichnet die Fähigkeit den Stuhl zurückzuhalten, während die Harnkontinenz die Fähigkeit den Harn zurückzuhalten, bezeichnet.
Die Harnkontinenz beruht auf einem Zusammenspiel aus Kontraktion und Relaxation der beteiligten Muskulatur mit dem anatomischen Halteapparat und folgenden Komponenten:
- Harnröhrentonus
- Passive Drucktransmission
- Aktive Drucktransmission
Den Harnröhrentonus erzeugt ein funktionell integriertes Sphinktersystem, das aus dem glatten M. sphincter urethrae internus und den quergestreiften M. sphincter urethrae externus besteht. Dabei dient der M. sphincter urethrae internus dem unwillkürlichen Verschluss. Er ist bedeutend bei körperlichem Ruhezustand sowie bei Männern zur Verhinderung der Ejakulation. Der M. sphincter urethrae externus dient dem willkürlichen Verschluss und ist eine zentrale Struktur der aktiven Kontinenz.
Die passive Drucktransmission beschreibt die Übertragung von abdominellem Druck auf den Blasenhals und die Harnröhre bei Belastung. Die aktive Drucktransmission hingegen, beschreibt die Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur bei Belastung.
Weitere Strukturen, die an der Harnkontinenz mitwirken sind die Muskeln des Beckenbodens. Der M. puborectalis als Teil des M. levator ani übt einen schlingenförmigen Zug auf die Urethra aus, während der M. transversus perinei profundus den Sphinkterkomplex mechanisch unterstützt. Sie stabilisieren den Beckenboden dynamisch und wirken bei reflektorischer und bewusster Harnröhrenkompression mit.
| Beteiligte Strukturen an der Harnkontinenzerhaltung | Beschreibung | Funktion |
| M. sphincter vesicae internus |
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| M. sphincter urethrae externus |
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| M. detrusor vesicae |
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| Beckenboden-Anteile |
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| Ventraler vesikourethraler Suspensionsapparat |
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| Hinterer vesikourethraler Winkel |
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Stuhlkontinenz
Das Kontinenzorgan besteht aus Rektum (Enddarm), Analkanal, Sphinkterapparat und den muskulären sowie vaskulären Strukturen. Die Kontinenz erhalten der Dauertonus des M. sphincter ani internus und externus, die Zugspannung des M. puborectalis und das Corpus cavernosum recti aufrecht. Letzteres beschreibt einen Schwellkörper, welcher den Analkanal abdichtet.
Der M. sphincter ani internus ist der innere Schließmuskel und ist ein Ringmuskel aus glatter Muskulatur, der bei unwillkürlicher Steuerung etwa 70 Prozent der gesamten Kontinenzleistung erbringt. Der äußere Schließmuskel (M. sphincter ani externus) kann willkürlich angespannt werden und die Verschlusskraft erhöhen. Der Schwellkörper bewirkt einen luftdichten Verschluss.
Durch den Zug des kontrahierten M. puborectalis an der Flexura perinealis verlagert sich diese nach ventral und bildet die sogenannte puborektale Schleife. Die dadurch bedingte verstärkte Biegung trägt der Kontinenz bei.
Der Enddarm trägt der Kontinenz bei, indem er eine Reservoirfunktion hat. Der Stuhl kann in deinem letzten Teil gehalten werden, bis durch Dehnungsrezeptoren in der Wand ein Stuhldrang signalisiert wird und so der Defäkationsvorgang eingeleitet wird.
Der Beckenboden bietet durch seine Muskeln eine Abschlussplatte den Verschluss und hält den Bauchinhalt des Menschen.
Kontinenz – Pathophysiologie und Klinik
Die Harninkontinenz stellt ein häufiges Krankheitsbild dar, das durch unkontrollierten Harnverlust gekennzeichnet ist. Die häufigsten Formen sind die Belastungsinkontinenz und die Dranginkontinenz.
Die Belastungsinkontinenz, auch Stressinkontinenz, stellt den Urinverlust bei intraabdominellen Druckerhöhungen dar. Diese Druckerhöhungen treten beispielsweise durch Husten oder Lachen auf. Grund dafür ist die Schädigung der kontinenzerhaltenden Muskeln oder eine Überdehnung des Halteapparates.
Die Dranginkontinenz beschreibt eine Speicherstörung der Blase, die meist durch einen überaktiven M. detrusor vesicae bedingt ist. Sie geht häufig mit einem imperativen Harndrang einher.
Hängemattentheorie
Für die Grundlagen der weiblichen Harninkontinenz wurden über die Zeit verschiedene Theorien entwickelt, wobei eine dieser Theorien die sogenannte Hängemattentheorie ist. Diese besagt, dass die elastische vordere Vaginalwand als "Hängematte" für die Harnröhre dient und unter Belastung Druck auf die Harnröhre gegen die Hängematte ausgeübt wird, wodurch es zu einem Verschluss der Harnröhre kommt. Bei einem Defekt der hängemattenbildenden Schicht ist der Harnröhrenverschluss insuffizient und es kommt zur Harninkontinenz.
Ein weiteres Krankheitsbild stellt die Enuresis nocturna dar, bei der es sich um eine intermittierende Harninkontinez im Schlaf handelt. Sie tritt bei Kindern ab einem Alter von mindestens 5 Jahren auf, ohne das Vorliegen organischer Ursachen. Es handelt sich um eine primär genetisch bedingte Reifungsverzögerung, welche aber auch sekundär durch emotionale Belastung auftreten kann.
Bei der Stuhlinkontinenz handelt es sich um die Unfähigkeit den Stuhlabgang oder das Entweichen von Darmgasen zu kontrollieren. Sie entsteht durch Schädigung des Schließmuskelsystems, neurologische Erkrankungen oder mechanische Veränderungen im Beckenbodenbereich.

Häufige Fragen
- Was ist der Unterschied zwischenn Harnkontinenz und Stuhlkontinenz?
- Welche Muskeln sind an der Kontinenz beteiligt?
- Was ist eine Belastungsinkontinenz?
- Was bedeutet Dranginkontinenz?
- Was versteht man unter Stuhlinkontinenz?
Harnkontinenz bezieht sich auf die Kontrolle über die Blasenentleerung, während Stuhlkontinenz die Fähigkeit beschreibt, den Stuhlgang sowie Darmgase zurückzuhalten. Beide Formen setzen eine intakte Funktion des jeweiligen Schließmuskelapparats und eine funktionierende Koordination voraus.
Bei der Harnkontinenz sind vor allem der innere und äußere Harnröhrenschließmuskel sowie die Beckenbodenmuskulatur beteiligt. Bei der Stuhlkontinenz spielen der innere und äußere Analschließmuskel, der M. puborectalis und das Corpus cavernosum recti eine zentrale Rolle.
Bei einer Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) kommt es zum unwillkürlichen Urinverlust bei körperlicher Anstrengung wie Husten, Niesen oder Heben. Ursache ist meist eine Schwächung des Beckenbodens oder eine Schädigung der Schließmuskulatur.
Dranginkontinenz ist durch einen plötzlichen, kaum unterdrückbaren Harndrang mit anschließendem unkontrolliertem Urinverlust gekennzeichnet. Ursache ist häufig eine Überaktivität des Blasenmuskels (M. detrusor vesicae).
Stuhlinkontinenz ist die Unfähigkeit den Stuhlgang oder das Entweichen von Darmgasen willkürlich zu kontrollieren. Sie kann durch Muskel- oder Nervenschäden, Beckenbodenschwäche oder andere Erkrankungen verursacht werden.
- Harnblase, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 08.06.2025)
- Belastungsinkontinenz, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 08.06.2025)




