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Pflegesysteme definieren die Arbeitsweise, Aufgabenverteilung und Beziehungen innerhalb des Pflegepersonals sowie zwischen Pflegekräften und Patienten. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen im Gesundheitswesen und der steigenden Anforderungen an die Pflege ist es wichtig, die verschiedenen Pflegesysteme zu verstehen und ihre Vor- und Nachteile zu analysieren.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die gängigsten Pflegesysteme in Deutschland und erklärt ihre Bedeutung für die Pflegepraxis.
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Pflegesystem – Definition
Das Pflegesystem bezieht sich auf ein organisatorisches Modell, das die Struktur und Arbeitsweise der Pflege innerhalb einer Einrichtung oder eines Gesundheitssystems festlegt. Es definiert die Aufgabenverteilung, Verantwortlichkeiten, Arbeitsabläufe und Beziehungen zwischen Pflegekräften, Patienten und anderen Beteiligten. Die Auswahl eines Pflegesystems hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art der Pflegeeinrichtung (z.B. Krankenhaus, Pflegeheim, ambulanter Pflegedienst), die Bedürfnisse der Patienten und die verfügbaren Ressourcen.
Ein Pflegesystem umfasst folgende Elemente:
- Arbeitsaufteilung: Wie werden die Pflegeaufgaben zwischen den Pflegekräften aufgeteilt? Gibt es spezifische Zuständigkeiten oder rotierende Aufgaben?
- Hierarchie: Wie ist die Hierarchie innerhalb des Pflegepersonals strukturiert? Gibt es klare Linien der Autorität und Verantwortung?
- Patientenbeziehungen: Wie werden Beziehungen zwischen Pflegekräften und Patienten etabliert und gepflegt? Gibt es individuelle Zuordnungen von Pflegekräften zu Patienten?
- Kommunikation und Dokumentation: Wie wird die Kommunikation zwischen Pflegefachkräften, Ärzten, anderen Fachkräften und Patienten organisiert? Wie werden Pflegeinterventionen dokumentiert?
- Qualitätsmanagement: Welche Mechanismen sind vorhanden, um die Qualität der Pflege sicherzustellen und kontinuierlich zu verbessern?
Pflegesysteme – Arten
Pflegesysteme lassen sich in zwei Hauptsysteme unterteilen. Die Unterschiede liegen vor allem in der Art der Arbeitsaufteilung, den hierarchischen Regelungen innerhalb des Pflegepersonals sowie der Bedeutung der Beziehung zu den Patienten bzw. Pflegebedürftigen.
Die Hauptpflegesysteme sind:
- Tätigkeitsbezogene Pflegesysteme (Funktionspflege)
- Patientenorientierte Pflegesysteme (Bereichspflege, Bezugspflege/Primary Nursing)
Jedes Pflegesystem hat seine eigenen Vor- und Nachteile, die von der jeweiligen Organisation und den Bedürfnissen der Patienten abhängen. In der Praxis werden oft Mischformen verwendet, um die Vorteile verschiedener Systeme zu kombinieren und eine optimale Versorgung sicherzustellen.
Bezugspflege
In der Bezugspflege steht die Beziehung zwischen Patienten und Pflegekraft im Vordergrund. Jeder Patient hat eine feste Bezugspflegekraft, die für die ganzheitliche und individuelle Pflege von der Aufnahme bis zur Entlassung verantwortlich ist. Dies fördert Vertrauen und Bindung zwischen Patienten und Pflegekraft.
Funktionspflege
Bei der Funktionspflege werden die Pflegeaufgaben in einzelne Prozesse unterteilt, die von verschiedenen Pflegekräften wiederholt durchgeführt werden. Das Grundprinzip besteht darin, dass nicht alle Pflegeaufgaben von examinierten Pflegefachkräften erledigt werden müssen. Routineaufgaben werden oft von Auszubildenden oder Praktikanten übernommen, während die Schichtleitung die gesammelten Daten in der Pflegedokumentation festhält.
Bereichspflege
Die zu versorgenden Pflegeeinheiten oder -stationen sind in feste Bereiche oder Gruppen unterteilt. Jeder Bereich hat speziell zugeordnete Pflegekräfte, die für die Betreuung dieser Bereiche verantwortlich sind. Die Einteilung erfolgt durch die Stationsleitung. Es gibt verschiedene Formen wie Gruppenpflege, bei der eine Pflegekraft für eine Gruppe von Patienten zuständig ist, oder Zimmerpflege, bei der die Zuordnung nach Zimmern erfolgt.
Primary Nursing
Primary Nursing basiert auf den Prinzipien der Bezugspflege, wobei eine ausgewählte Pflegefachkraft, die Primary Nurse, vollständig und ganzheitlich für die Pflege eines bestimmten Patienten verantwortlich ist. Diese Pflegekraft übernimmt Aufgaben wie die Anamnese, Pflegeplanung, Durchführung und Evaluation der Pflege. Bei Bedarf können auch andere Pflegekräfte, sogenannte Associate Nurses, eingesetzt werden, um die Aufgaben der Primary Nurse zu übernehmen.
Pflegesysteme – Vor- und Nachteile
Jedes Pflegesystem hat seine eigenen spezifischen Vor- und Nachteile, die die Qualität der Pflege und das Wohlbefinden der Patienten beeinflussen können. Es ist daher sinnvoll, diese getrennt nach Pflegesystemarten zu betrachten.
Funktionspflege
Von Vorteil ist, dass durch die Aufteilung der Pflegeaufgaben in wiederkehrende Prozesse die Arbeit effizienter gestaltet werden kann. Unterschiedliche Pflegekräfte können unterschiedliche Aufgaben übernehmen, was eine flexiblere Personalplanung ermöglicht. Auszubildende und Praktikanten können Routineaufgaben übernehmen und praktische Erfahrungen sammeln.
Nachteile sind z.B. mangelnde Kontinuität. Da die Pflege von verschiedenen Pflegekräften durchgeführt wird, kann diese in der Betreuung beeinträchtigt werden. Die individuellen Bedürfnisse der Patienten können in den Hintergrund rücken, da der Fokus auf standardisierten Prozessen liegt. Die Koordination der Pflegeaufgaben und die Weitergabe von Informationen zwischen verschiedenen Pflegekräften erfordern zusätzlichen Aufwand.
Bereichspflege
Von Vorteil ist eine hohe Kontinuität, denn jeder Bereich hat speziell zugeordnete Pflegekräfte. Durch die feste Zuordnung können Pflegekräfte die Patienten besser beobachten und Veränderungen schneller erkennen. Auszubildende können effektiver angeleitet werden, da sie von denselben Pflegekräften betreut werden.
Nachteile sind z.B., dass es bei kurzfristigem Personalmangel schwierig sein kann, Pflegekräfte aus anderen Bereichen einzusetzen. Patientenwechsel zwischen verschiedenen Pflegekräften können im Nachhinein schwierig sein, insbesondere wenn die Sympathie zwischen Patienten und Pflegekraft nicht gegeben ist. Die Bildung fester Gruppen kann dazu führen, dass die Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft zwischen Pflegekräften abnehmen.
Bezugspflege
Vorteilhaft ist, dass jeder Patient eine feste Bezugspflegekraft hat, was das Vertrauen und die Bindung zwischen Patienten und Pflegekraft stärkt. Die Pflege erfolgt ganzheitlich und individuell, wodurch die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten besser berücksichtigt werden können. Die Bezugspflegekraft fungiert als Hauptansprechpartner für den Patienten und kann die Kommunikation mit anderen Gesundheitsdienstleistern und Angehörigen verbessern.
Nachteile sind z.B. mangelnde Distanz, denn durch die enge Beziehung kann es für die Pflegekraft schwierig sein, diese professionell zu halten. Die Bezugspflegekraft trägt eine hohe Verantwortung und kann erhöhtem Stress ausgesetzt sein. Im Konfliktfall oder bei Krankheit kann der Wechsel der zuständigen Pflegekraft schwierig sein und die Kontinuität in der Betreuung beeinträchtigen.
Primary Nursing
Vorteilhaft ist die ganzheitliche Pflege. Eine ausgewählte Pflegekraft ist vollständig und ganzheitlich für die Pflege eines bestimmten Patienten verantwortlich, was eine individuelle und kontinuierliche Betreuung ermöglicht. Die Primary Nurse koordiniert die Pflegeaufgaben und kann bei Bedarf andere Pflegekräfte einbeziehen, um eine nahtlose Betreuung sicherzustellen. Die Primary Nurse fungiert als Hauptansprechpartner für den Patienten und kann die Kommunikation mit anderen Gesundheitsdienstleistern und Angehörigen verbessern.
Nachteilig sind die höheren Kosten. Die Implementierung von Primary Nursing kann mit höheren Personalkosten verbunden sein, da mehr Personal benötigt wird, um die individuelle Betreuung sicherzustellen. Primary Nursing erfordert eine sorgfältige Planung und Koordination, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse jedes Patienten angemessen berücksichtigt werden. Primary Nursing wird oft nur in spezialisierten Einrichtungen oder in bestimmten Bereichen eingesetzt und ist möglicherweise nicht für alle Pflegeumgebungen geeignet.
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Häufige Fragen
- Welche Pflegesysteme gibt es in Deutschland?
- Welche Pflegesysteme unterscheidet Dorothea Orem?
- Wie funktioniert Bezugspflege?
- Ist Primary Nursing Bezugspflege?
In Deutschland gibt es verschiedene Pflegesysteme, darunter die Funktionspflege, Bereichspflege, Bezugspflege und Primary Nursing. Funktionspflege teilt Pflegeaufgaben in wiederkehrende Prozesse auf, die von verschiedenen Pflegekräften durchgeführt werden. Bereichspflege ordnet spezielle Pflegekräfte festen Bereichen oder Gruppen zu, um eine kontinuierliche Betreuung sicherzustellen. Bei der Bezugspflege ist jedem Patienten eine feste Bezugspflegekraft zugewiesen, um eine persönliche und ganzheitliche Pflege zu gewährleisten. Primary Nursing beinhaltet die Zuweisung einer speziellen Pflegekraft, die vollständig und ganzheitlich für die Pflege eines bestimmten Patienten verantwortlich ist.
Orem unterscheidet 6 Pflegesysteme und gliedert diese in:
1. Die Theorie der Selbst -fürsorge/ -hilfe/ -pflege (selfcare), die das selbständige Handeln der Individuen zur Erhaltung ihrer Gesundheit beschreibt.
2. Die Theorie des Selbst -fürsorge/ -hilfe/ -pflege /(selfcare) -defizits, die beschreibt aufgrund und welcher Zustände Menschen mittels Pflege geholfen werden kann.
3. Die Theorie der Pflegesysteme (nursing system), die beschreibt, welche Beziehungen zwischen Pflegenden und Patienten aufgebaut werden können, damit Pflege wirksam wird.
Bezugspflege ist ein Pflegesystem, bei dem jedem Patienten eine feste Bezugspflegekraft zugewiesen wird, die für seine ganzheitliche Betreuung verantwortlich ist. Die Bezugspflegekraft führt eine individuelle Pflegeplanung durch, die die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten berücksichtigt. Sie baut eine vertrauensvolle Beziehung zum Patienten auf und fungiert als Hauptansprechpartner für ihn sowie für Angehörige und andere beteiligte Personen. Die Bezugspflegekraft übernimmt die Planung, Durchführung und Evaluation der Pflegeinterventionen und koordiniert die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsdienstleistern. Dieses Pflegesystem fördert eine kontinuierliche und individuelle Versorgung, indem es die Pflege auf die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten ausrichtet.
Primary Nursing und Bezugspflege sind ähnliche Pflegesysteme, jedoch gibt es einige Unterschiede. Bei Primary Nursing wird eine spezielle Pflegekraft, die Primary Nurse, vollständig und ganzheitlich für die Pflege eines bestimmten Patienten verantwortlich gemacht. Diese Pflegekraft übernimmt die Planung, Durchführung und Evaluation der Pflegeinterventionen und koordiniert die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsdienstleistern. Im Gegensatz dazu kann in der Bezugspflege jedem Patienten eine feste Bezugspflegekraft zugewiesen werden, die jedoch nicht unbedingt die volle Verantwortung wie eine Primary Nurse übernimmt, sondern eine enge, individuelle Betreuung sicherstellt. Beide Systeme zielen darauf ab, eine kontinuierliche und individuelle Versorgung zu gewährleisten, jedoch bietet Primary Nursing eine klar definierte, umfassende Verantwortung für die Pflege eines einzelnen Patienten.
- Pflegemodell Dorothea Orem, http://www.vinzenzklinik.de/... (Abrufdatum: 14.05.2024)