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Hitze und ihre Folgen sind ein zunehmendes Problem für die Gesellschaft und insbesondere bei der Versorgung geriatrischer Patienten. Dies stellt der Leiter der Fachabteilung für Geriatrie des Universitätsklinikums Heidelberg, Professor Dr. Clemens Becker, in einem aktuellen Artikel klar. Gemeinsam mit seinen Kollegen Thomas Griebe und Christian Weingart zeigt er in „Hitzedom in Deutschland und wie gut wir darauf vorbereitet sind“ vielfältige Ansätze zum Schutz von Senioren und weiteren Risikogruppen vor Hitze auf.
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Hitze belastet vor allem geriatrische und Pflegepatienten
Bei intensiver Hitze leitet der menschliche Körper eine Reihe von Anpassungen ein, die sich vorrangig im Herz-Kreislauf-System und den Nieren abspielen. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt allerdings die Nierenleistung ab. Zudem leiden viele geriatrische Patienten an Krankheiten wie Bluthochdruck, Arteriosklerose (Gefäßverkalkungen) und Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).
Sowohl die Krankheiten an sich als auch die dagegen verordneten Medikamente verringern die Reaktionsfähigkeit des Körpers auf extreme Wetterbedingungen. Begleitend können Demenz sowie eine Reihe von Präparaten das Durstempfinden abschwächen, was vor allem bei Senioren das Risiko für einen Flüssigkeitsmangel erhöht.
Besonders gefährdete Gruppen sind neben alten und chronisch kranken Menschen auch Schwangere und Kinder, Obdachlose und Personen mit geringem Haushaltseinkommen.
Wie reagiert der Körper auf Hitze?
Regulationsmechanismen des Körpers auf Hitze umfassen vorrangig die Stabilisierung der Körpertemperatur und den Ausgleich der Blutsalze. Die Blutgefäße in den Extremitäten weiten sich, um Körperwärme über die Haut abzuleiten, was mit einem Abfall des Blutdrucks und einem Anstieg der Herzfrequenz einhergeht. Die Schweißproduktion steigt, wodurch sich die Elektrolyte (Blutsalze) verschieben können. Dies gleichen die Nieren durch eine Anpassung der Urinzusammensetzung aus.
Gehäufte Todesfälle durch Hitze auch bei jüngeren Menschen
Extremwetterphänomene mit großer Hitzeentwicklung können in kurzer Zeit zu einer hohen Zahl an Todesfällen führen. Während 2003 in Deutschland über den gesamten Sommer etwa 7.500 hitzebedingte Todesfälle erfasst wurden, fielen 2024 in Mekka binnen weniger Tage etwa 1.300 Menschen den Auswirkungen einer Hitzewelle zum Opfer. Ähnliche Vorkommnisse in China und den USA werden derzeit in Studien aufgearbeitet.
Eine Gefahr vor allem in Ballungsräumen und über großflächig geteerten Bereichen stellt die Bildung des Hitzedoms dar. Dabei staut sich heiße Luft wie unter einer Kuppel über dem betreffenden Gebiet an und verweilt dort oft tagelang. Dies stört die Wolkenbildung, sodass es zu einer uneingeschränkten Sonneneinstrahlung kommt. Damit sind Temperaturentwicklungen bis weit jenseits der 40 Grad Celsius möglich.
Wenngleich Phänomene wie ein Hitzedom nicht immer absehbar sind, kündigen sich Hitzewellen doch meist Tage bis Wochen im Vorfeld an. Damit ist es, vor allem für Senioren und chronisch kranke Menschen, vielfach möglich und sinnvoll, sich vorzubereiten und Maßnahmen zu ergreifen.
Hitzeschutz für Risikogruppen
Neben individueller Planung und Fürsorge gibt es einige allgemeine Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bei Hitze. Darüber hinaus haben die Geriater weitere Vorschläge für die Gesundheitspolitik.
Maßnahmen bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung
Bereits im Vorfeld der Hitzewelle sollte gemeinsam mit dem Hausarzt der Medikationsplan überprüft werden. Entwässernde Tabletten, Abführmittel und einige Präparate zur Senkung des Blutzuckerspiegels können bei großer Hitze eine Austrocknung des Körpers begünstigen. Werden sie mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln aus der Gruppe der NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika) kombiniert, so erhöht sich das Risiko für ein Nierenversagen. Die Medikamente müssen daher unter Umständen vorübergehend reduziert oder pausiert werden.
Durch das Eintragen in ein Trinkmengenprotokoll, tägliches Wiegen und einen Blick auf die Farbe des Urins kann sich der Patient oder der Pflegedienst schnell einen Eindruck vom aktuellen Flüssigkeitshaushalt verschaffen. Geeignete Getränke sind Mineralwasser, Gemüsebrühe (beispielsweise kalte Tomatensuppe zum Mittagessen) oder verdünnte Fruchtsäfte. Die Flüssigkeiten sollten jedoch nicht zu kalt sein, da dies den Körper zusätzlich belastet. Die Messung der Körpertemperatur kann helfen, eine drohende Überhitzung frühzeitig aufdecken.
Regelmäßige Blutdruckmessungen sind wichtig, um angemessen auf die hitzebedingte Gefäßweitung reagieren zu können. Sinkt der Blutdruck hierunter zu tief ab, so belastet das nicht nur das Herz-Kreislauf-System und die Nieren. Über eine geringere Blutversorgung des Gehirns kann das die Symptome einer Demenz verstärken und Schwindel erzeugen. Bei geriatrischen Patienten bedeutet dies ein erhöhtes Risiko für Stürze und Folgekomplikationen.
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Wohnung und Umfeld
Hilfsbedürftige Menschen und Risikopersonen sollten frühzeitig dafür sorgen, dass sie bei akuten Hitzeperioden am besten täglich Besuch von Angehörigen oder Bekannten erhalten, die sie unterstützen und bei akuten Problemen medizinische Hilfe organisieren können. Die Wohnräume sollten nur in den frühen Morgenstunden oder nachts gelüftet und tagsüber verschattet werden, damit die Luft im Wohnraum kalt bleibt. Sonnenabgewandte Räume heizen sich in der Regel weniger auf, daher kann es gelegentlich sinnvoll sein, das (Pflege-)Bett vorübergehend in einen kühleren Raum zu verlagern.
Das Haus sollte nur im Notfall über Tage verlassen werden. Dabei sollten Pflegekräfte und ältere Patienten darauf achten, dass diese möglichst leichte und luftige Kleidung tragen. Auch Sonnenschutz inklusive einer geeigneten Kopfbedeckung sind besonders wichtig. Wegen der extrem schnellen und intensiven Erhitzung von Autos sollten vor allem Menschen aus Risikogruppen nicht im Auto zurückgelassen werden.
Forderungen der Geriater an die Politik
Hitzeschutz umfasst aus Sicht der Geriater neben präventiven Maßnahmen wie der Schaffung von grünen Infrastrukturen vor allem das Erstellen von Hitzeaktionsplänen, die konkrete Maßnahmen für den Akutfall enthalten. Notaufnahmen und ambulante Betreuungs- und Pflegedienste müssen auf die Behandlung von Hitzefolgeerkrankungen wie dem Hitzschlag eingestellt sein. Bekannte Risikopersonen könnten durch aufsuchende Hilfsdienste unterstützt werden.
Es sollte gekühlte Gebäude geben, die gefährdete Personen bei Bedarf in der Akutphase auffinden und aufsuchen könnten. Öffentlich ausgesprochene Maßnahmen wie Beschäftigungsverbote für risikobehaftete Berufe und eine Urlaubssperre für Menschen in versorgenden Berufen könnten nach Meinung der Autoren dazu beitragen, die Zahl an Patienten zu verringern und gleichzeitig die Versorgungsstrukturen vorzuhalten. Gerontologie und Geriatrie sollten aus ihrer Sicht aktiv in die Planung einbezogen werden.
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- Becker, P. D., Griebe, T., Weingart, C., Hitzedom in Deutschland und wie gut wir darauf vorbereitet sind. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie (Springer, Ausgabe 04/2025).