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Es ist soweit – der erste Jahrgang, der die generalisierte Pflegeausbildung durchlaufen hat, erlangt dieses Jahr seinen Abschluss. Wo bisher kein Fazit möglich war, kann jetzt eine Einschätzung erfolgen, wie sinnvoll und förderlich die Reform der Pflegeausbildung im Jahr 2020 war. Fakt ist, dass sowohl Auszubildende als auch Fachkräfte die Generalisierung der Ausbildung von Anfang an sehr kritisch betrachteten.
Ist diese Kritik gerechtfertigt oder birgt die Reform doch mehr Vorteile als gedacht? Dieser Artikel soll einen Überblick über die Pros und Contras der neuen Pflegeausbildung bieten.
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Generalisierte Pflegeausbildung – Zahlen und Quoten
Mit dem Abschluss des ersten Jahrgangs liegen mittlerweile die ersten Zahlen zur Vollendung der Ausbildung zum Pflegefachmann/Pflegefachfrau vor. Laut Statistischem Bundesamt haben etwa 33.600 Personen die Ausbildung abgeschlossen, wovon 99 Prozent den generalisierten Abschluss wählten. Nur 300 Personen absolvierten die Spezialisierung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, 100 Personen zur Altenpflege.
Die Zahl der Neuverträge steigt durchgehend an. So haben 2023 rund 54.400 Personen einen neuen Vertrag zur Ausbildung zur Pflegefachkraft abgeschlossen, womit die Zahl der Neuverträge um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. 2016 begannen noch knapp unter 50.000 Personen jährlich die Ausbildung. Der Höchstwert von 56.300 Neuverträgen im Jahre 2021 konnte noch nicht getoppt werden. Insgesamt befanden sich am 31. Dezember 2023 146.900 Personen in Ausbildung, mit einem Frauenanteil von etwa 73 Prozent.
Die Abbrecherquote nach Einführung der generalisierten Pflegeausbildung sorgte ebenfalls für Diskussionen und Kritik. In Brandenburg und Berlin brachen über 40 Prozent die Ausbildung ab, in Nordrhein-Westfalen sogar 46 Prozent. Besonders Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), sieht die Schuld für die Abbrüche und den damit einhergehenden Rückgang der Auszubildenden in der Langzeitpflege im generalisierten Ausbildungsmodell.
Ausbildungsplätze als Pflegefachkraft
Durch die finanzielle und strukturelle Benachteiligung ambulanter Pflegedienste sinken die potentiellen Fachkräfte für diesen Bereich, während Akutversorger potentielle Auszubildende besser binden und fördern können. Da viele an der Altenpflege Interessierte sich aber in der generalistischen Pflege nicht abgeholt fühlen, brechen sie die Ausbildung vorzeitig ab. Dadurch verstärke die generalisierte Pflegeausbildung den Personalmangel in der Langzeitpflege, sagt Meurer.
Mit der Reform der Ausbildung wurde auch das Pflegestudium eingeführt, wie es in anderen Ländern bereits Standard ist. Viele Abiturienten möchten lieber studieren als eine Ausbildung zu absolvieren. Sie sollen dadurch in die Pflege gebracht werden. Inhaltlich liegt neben den Bestandteilen der beruflichen Ausbildung der Fokus auf Pflegeprozessen und pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen.Einführung des Pflegestudiums
Mindestens drei Jahre dauert das Studium, davon etwa die Hälfte im Praxiseinsatz. Die Nachfrage ist momentan allerdings eher gering, im Jahr 2021 waren zwischen 500 und 1.000 Studierende eingeschrieben. Im Anschluss an das Studium sind die Verdienstmöglichkeiten in der Regel höher als bei der Ausbildung, die Praxisphase des Studiums muss aber nicht zwingend vergütet werden.
Generalisierte Pflegeausbildung – Nicht alles, was glänzt, ist Gold
Vielerorts steigen zwar die Zahl der Auszubildenden, doch die Zahl der Lehrkräfte stagniert oder sinkt sogar. In Berlin unterrichten momentan 2.400 Lehrkräfte etwa 15.300 Auszubildende. Das Verhältnis geht zunehmend auseinander im Vergleich zu vorherigen Jahren. Ob das Ziel der Bundesregierung einer “hochwertigen und zeitgemäßen Ausbildung” mit dieser Ausgangslage erreichbar ist, ist fraglich.
Auch die inhaltliche Komprimierung des Wissens wird selbst von Fachkrankenpflegern teilweise kritisch betrachtet. Besonders im Bereich der Kinderpflege könnte ein Jahr der Spezialisierung nicht ausreichend sein, um eine bedarfsgerechte Pflege zu ermöglichen. Außerdem ist die Verknüpfung der Krankheiten und Organfunktionen durch die vergleichsweise kurze Thematisierung im Unterricht eingeschränkt.
Ausbildungsplätze als Altenpfleger/in
Die Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler bekommen zusätzlich die mangelhafte Praxisanleitung zu spüren. Eine ausreichende Betreuung und Anleitung erhält man selten, genauso wenig wie Reflexionsgespräche und Lernaufgaben. Das liegt zum Großteil am Personalmangel, da die Praxisanleiter diese Aufgabe neben ihrer Tätigkeit als Pflegekraft ausüben. Mehr Wissen müsste unter Umständen wieder in der Schule unterrichtet werden. Dadurch sind viele Auszubildende überfordert.
Besonders die Altenpflege könnte in Zukunft unter der Generalisierung leiden. Interessierte an diesem Fachbereich müssen sich zunächst durch zwei Jahre der allgemeinen Ausbildung kämpfen, bevor sie sich dafür entscheiden können. Diese Inhalte können überfordern und abschrecken. Zudem sind gerade in der Altenpflege die Arbeitsbedingungen häufig prekär.
Generalisierte Pflegeausbildung – Positive Aspekte und Chancen
Doch es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Auszubildende, die sich nicht bereits vorher für eine Richtung der Pflege entscheiden wollen, müssen das mit der Generalisierung nicht mehr tun. Die Wahlmöglichkeiten erlauben eine individuelle Spezialisierung, während ein Übergang zu anderen Versorgungsbereichen durch die gleiche Grundlage auch später noch möglich ist. So haben zukünftige Pflegekräfte mehr Auswahl und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, sowohl im In- und Ausland. Die generalisierte Ausbildung wird EU-weit anerkannt und ermöglicht komplikationsloses Arbeiten im Ausland.
Einige Lösungs- und Verbesserungsvorschläge kursieren im Raum, die die Nachteile der Ausbildung ausgleichen könnten. Vor allem sollte die generalisierte Ausbildung wohl an den Fachkräftemangel angepasst werden. Azubis sollten nicht als vollwertige Pflegekraft eingesetzt und damit überfordert werden. Vielmehr ist eine intensivere Betreuung durch Praxisanleiter notwendig, um den zukünftigen Pflegekräften das notwendige praktische Wissen mitzugeben und die Verknüpfung von Theorie und Praxis zu ermöglichen. Damit entsteht gleichzeitig ein tiefergehendes Wissen.
Generalisierte Pflegeausbildung – Ein Fazit
Was kann man aus diesen letzten vier Jahren nun mitnehmen? Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge steigt stetig. Eine Herausforderung ist hingegen, die Azubis langfristig in der Pflege zu halten, was durch bessere Arbeitsbedingungen passieren muss.
Die Umsetzung steht dagegen noch aus. Das scheint das allgemeine Stimmungsbild zu sein. Die Politik muss jetzt auf die Kritik und das Feedback angemessen reagieren und das Generalistik-Modell anpassen. Momentan stößt man sich noch an zu vielen Ecken und Kanten, die abgeschliffen und poliert werden müssen.
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- Eine Pflegeausbildung mit Ecken und Kanten, https://www.bibliomed-pflege.de/... , (Abrufdatum: 02.08.2024)
- Hohe Abbrecherquote in Berlin und Brandenburg, https://www.bibliomed-pflege.de/... , (Abrufdatum: 02.08.2024)
- Die generalistische Pflegeausbildung muss auf den Prüfstand, https://www.aerztezeitung.de/... , (Abrufdatum: 02.08.2024)
- Drucksache 20/11109 (Deutscher Bundestag), https://dserver.bundestag.de/... , (Abrufdatum: 02.08.2024)
- Statistik nach der PflAFinV, https://www.destatis.de/... , (Abrufdatum: 02.08.2024)
- Pressemitteilung Nr. 284, https://www.destatis.de/... , (Abrufdatum: 02.08.2024)