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Keimblätter sind die grundlegenden Zellschichten, die sich während der frühen Embryonalentwicklung formen und die Grundlage für die Bildung aller Gewebe und Organe im menschlichen Körper darstellen. Diese Entwicklungsschritte markieren einen entscheidenden Prozess der Entwicklung von Organen, bei dem die anfängliche Zellmasse des Embryos in hochspezialisierte Gewebe differenziert wird. Dieser Artikel beschreibt die Entstehung und weitere Entwicklung der Keimblätter zu den Organen des Menschen.
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Keimblätter – Definition
Keimblätter sind Zellschichten, die sich während der frühen Embryonalentwicklung in der sogenannten Gastrulation bilden. Zu den drei Keimblättern gehören das Ektoderm, Mesoderm und Entoderm. Sie entwickeln sich im Verlauf der Schwangerschaft zu den verschiedenen Organen des Menschen.
Keimblätter – Entstehung und Anatomie
Die befruchtete Eizelle entwickelt sich zur Blastozyste, die schon aus zwei verschiedenen Zelltypen entsteht: Dem Trophoblasten, der die äußere Hülle bildet und dem Embryoblasten, der das Innere ausfüllt. Aus den Embryoblasten geht eine erste zweiblättrige Keimscheibe hervor, die aus den unteren Epiblasten und den darüberliegenden Hypoblasten besteht. Die Epiblasten differenzieren sich dann im späteren Verlauf zu den Zellen einer dreiblättrigen Keimscheibe, deren Blätter das Endoderm, Ektoderm und Mesoderm umfassen. Dieser Prozess der Ausreifung der Keimblätter wird Gastrulation genannt.
Die Vorraussetzung für die Gastrulation sind das Vorhandensein eines Primitivknotens sowiedes Primitivstreifens. Bei diesen Strukturen handelt es sich um verdichtete Zellzonen auf der Ebene der Epiblasten, anhand derer sich die Ausbildung der dreiblättrigen Keimscheibe orientiert. Dabei stellt der Primitivknoten den kranialen Pol dar. Der Primitivstreifen legt die Körperachse fest, die vom späteren Kopf zu den Füßen laufen wird (kranio-kaudale Körperachse).
Gastrulation
Epiblasten unter dem Primitivstreifen differenzieren sich zu Zellen des Mesoderms. Diese wandern dann in die dadurch entstandene Primitivrinne zwischen der Ebene der Epiblasten und Hypoblasten ein und bilden eines der Keimblätter: Das Mesoderm.
Weitere Epiblastenzellen aus dem Bereich des Primitivstreifens und -knotens wandern in die Hypoblastenschicht ein und bilden hier durch Verdängen der Hypoblasten die nächste der Keimblätter: Das Entoderm.
Die restlichen verbliebenen Zellen der Epiblastenschicht verbleiben dort wo sie sind und differenzieren sich zu Zellen des letzten Keimblattes: Dem Ektoderm. Mit diesem Prozess wird klar, dass das komplette Gewebe des Embryos von den Epiblasten ausgeht.
Neben der Gastrulation findet zum gleichen Zeitpunkt die Entwicklung der Chorda dorsalis statt. Diese stellt eine Leitstruktur für die Entwicklung des Nervensystems dar. Aus ihr entwickelt sich nicht direkt Nervengewebe, sondern letztendlich die Nuclei pulposi der Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern. Die Vorläuferstrukturen des eigentlichen Nervengewebes entsteht in einem Prozess, der als Neurulation bezeichnet wird.
Bildung der Chorda dorsalis
Nachdem das Mesoderm gebildet wurde, bildet sich im axialen Teil des Keimblattes – also dem mittigsten Teil – eine röhrenförmige Struktur aus den dort ansässigen Zellen. Dieser Chordafortsatz verschmilzt im Laufe dieses Prozesses mit einem anderen Keimblatt – dem Entoderm, das darunter liegt.
Canalis neuroentericus
Nachdem der Chordafortsatz mit dem Entoderm verschmilzt löst sich der Boden des Fortsatzes so ab, dass eine Verbindung zwischen Amnionhöhle und Dottersack besteht, da diese sich ja zwischen der Keimscheibe gegenüber liegen. Diese Verbindung wird als Canalis neuroentericus bezeichnet, die aber nur maximal wenige Tage besteht.
Das Dach des Chordafortsatzes, beziehungsweise die Chordaplatte, verschmilzt zu einer röhrenförmigen Struktur, der Chorda dorsalis, die nun durch das axiale Medoderm zeiht, umgeben von einem wieder intakten Enotderm und Ektoderm. Diese Struktur ist die Vorraussetzung für die nun folgenden Neurulation.
Neurulation
Bei der Neuraltion wird das zentrale und periphere Nervensystem angelegt. Dabei werden von der Chorda dorsalis verschiedene Signalmoleküle ausgesendet, die das Ektoderm über ihr zur Differenzierung zu neuronalen Zellen (Neuroektodermzellen) anregt. Diese Zone, in der die Ausdifferenzierung stattfindet nennt man Neuralplatte.
Noggin und Chordin
Die Polypeptide Chordin und Noggin regulieren die Differenzierung von Ektodermzellen zu Neuroektodermzellen. Dabei wirken sie hemmend auf bestimmte Signalmoleküle, denn die Wirkung dieser bestimmten Signalmoleküle werden die Zellen des Ektoderms zu den Neuroektodermzellen.
Nachdem diese Neuroektodermzellen der Neuralplatte ein mehrreihiges Epithel gebildet haben, senkt sie mittig ab und bildet dort eine Neuralrinne und seitlich zwei Neuralwülste, die sich weiter zu Neuralfalten entwickeln. Schließlich verschmelzen die Falten beider Seiten miteinander und bilden so das Neuralrohr. Jeweils kranial und kaudal befinden sich Öffnungen des Rohrs die als Neuroporus cranialis und caudalis bezeichnet werden. Während der Verschmelzung zum Neuralrohr bildet sich in Richtung des Ektoderms eine Neuralleiste, die sich danach in zwei Neuralleisten teilt. Grob kann man sagen, dass sich aus dem Neuralrohr letztendlich Zellen des zentralen Nervensystems und aus den Leisten Zellen des peripheren Nervensystems entwickeln.
Keimblätter – Funktion
Die Keimblätter dienen der Entwicklung der Organe des Embryos. Dabei entstehen diese Organe durch Differenzierung der verschiedenen Zellen der Keimblätter.
Mesoderm
Das Mesoderm differenziert sich von medial nach lateral weiter in verschiedene Zonen. Das axiale Mesoderm ,das am medialsten liegt, beinhaltet die Chorda dorsalis, die als Leitstruktur für die Neurulation dient. Außerdem gehört hier auch das prächordale Mesoderm dazu, welches kranial der Chorda dorsalis liegt.
Neben dem axialen liegt das paraxiale Mesoderm, das sich in die einzelnen Somiten entwickelt. Bei diesen handelt es sich um einzelne Segmente, von denen sich circa 42 bis 44 initial ausbilden und einige auch nochmal zurückbilden. Die übrigen Somiten verschmelzen zu einem Sklerotom und Dermomyotom. Die Zellen des Sklerotoms wandern in Richtung der Chorda dorsalis aus und sind letztendlich für die Bildung der Wirbel verantwortlich. Währenddessen ziehen die Zellen des Dermatomzellen des Dermomyotoms in die Richtung des Ektoderms und werden zum Bindegewebe der Haut. Das Myotom des Dermomyotoms hat ein dorsal gelegenes Epimer, deren Zellen an der Stelle bleiben, wo sie sind und die auchtochtone Rückenmuskulatur bilden. Dahingegen wandern Zellen des ventral gelegenen Hypomer aus und bilden letztendlich unter anderem Muskeln der vorderen und seitlichen Rumpfwand.
Das intermediäre Mesoderm liegt direkt neben dem paraxialen Mesoderm und bildet ebenfalls Segmente, die in diesem Fall Nephrotome heißen. Es entwickelt sich der nephrogene Strang und die Genitalleiste. Dieser Teil des Mesoderms ist der Entstehungsort von Niere und weiteren Harnorganen sowie Teilen des Herzkreislaufsystems.
Neben dem intermediären Mesoderm liegt das Seitenplattenmesoderm, das sich in ein parietalen Teil (Somatopleura) und einen viszeralen Anteil (Splanchnopleura) teilt. Aus dem parietalen Mesoderm entwickelt sich Bindegewebe der Rumpfwand und das Brustbein. Das viszerale Mesoderm entwickelt sich unter anderem zum Bindegewebe und glatter Muskulatur des Magen-Darm-Traktes. Außerdem sind beide Teile an der Bildung von serösen Körperwänden beteiligt, zum Beispiel der viszeralen und parietalen Pleura/Perikard. Die Entwicklung der Pleura- und Perikardhöhle geschieht durch das Zusammenlegen der beiden Seitenplattenmesoderme beider Seiten. Der entstandene Hohlraum wird zunächst als intraembryonales Zölom bezeichnet, stellt aber später nach Organogenese der spezifischen Organe Pleura- und Perikardhöhle dar.
Die Strukturen, in die sich das Mesoderm entwickelt sollen in folgender Tabelle noch einmal dargestellt werden, stellt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Mesoderm | Gewebe |
Axiales Mesoderm |
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Paraxiales Mesoderm |
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Intermediäres Mesoderm |
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Seitenplattenmesoderm |
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Entoderm
Das Entoderm entwickelt sich zu Epithelien und Drüsen verschiedener Organe, die in folgender Tabelle dargestellt werden sollen, welche keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat.
Entoderm |
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Ektoderm
Während der ersten Wochen der Embryonalentwicklung entstehen verschiedene Strukturen, die Teil des Ektoderms sind. Im Zuge der Neurulation entstehen Neuralrohr und Neuralleiste sowie das Oberflächenektoderm. In folgender Tabelle sollen die Strukturen, die aus den Anteilen des Ektoderms entstehen, dargestellt werden, soll aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen.
Ektoderm | Gewebe |
Neuralrohr |
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Neuralleiste |
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Oberflächenektoderm |
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Keimblätter – Klinik
Bei Neuralrohrdefekten, bei denen sich das Neuralrohr nicht vollständig verschleißt, können Spaltbildungen an solchen Stellen auftreten, die als Spina bifida bezeichnet werden. Durch eine Form der Spina bifida sind nur die Wirbelbögen von der Spaltbildung betroffen, was Spina bifida occulta genannt wird. Eine andere Form der Fehlbildung heißt Spina bifida aperta, bei der zusätzlich die Rückenmarkshäute und teilweise sogar das Rückenmark mitbetroffen sind. Bei letzterer Form ist die Symptomatik stärker und dabei kann sogar eine Querschnittslähmung auftreten. Präventiv sollte für einen normalen Folsäurespiegel in der Schwangerschaft gesorgt werden, da dies das Risiko für ein Auftreten solcher Neuralrohrdefekte deutlich senken kann.
Häufige Fragen
- Was sind Keimblätter?
- Welche Keimblätter gibt es und was entsteht daraus?
- Welche Bedeutung haben die Keimblätter für die Entwicklung des Organismus?
- Wie entstehen die Keimblätter während der Embryonalentwicklung?
Keimblätter sind Zellschichten, die sich während der frühen Embryonalentwicklung in der sogenannten Gastrulation bilden. Sie entwickeln sich im Verlauf der Schwangerschaft zu den verschiedenen Organen des Menschen.
Zu den drei Keimblättern gehören das Ektoderm, Mesoderm und Entoderm. Aus dem Ektoderm entwickeln sich Strukturen wie das Nervensystem und die Epidermis. Das Mesoderm bildet unter anderem das Urogenitalsystem. Aus dem Entoderm entstehen vor allem die inneren Auskleidungen von Organen.
Die Keimblätter spielen eine fundamentale Rolle in der Entwicklung eines Organismus, da sie die Grundlage für die Bildung aller Gewebe und Organe des Körpers bilden. Jedes der drei Keimblätter differenziert sich in spezifische Zelltypen und Strukturen, die verschiedene Funktionen im Körper übernehmen.
Die Entstehung der Keimblätter erfolgt während der Embryonalentwicklung in einem Prozess, der als Gastrulation bezeichnet wird. Dieser tritt in der dritten Entwicklungswoche nach der Befruchtung ein und markiert einen entscheidenden Schritt in der Bildung eines vielzelligen Organismus.
- Embryonalentwicklung, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 22.12.2024)
- Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Thieme, 3. Auflage, 2017