Inhaltsverzeichnis
Das menschliche Skelett ist ein hochkomplexes Geflecht aus Knochen, Gelenken, Bändern und Muskeln, das eine enorme Beweglichkeit und gleichzeitig Stabilität ermöglicht. Eine besondere Rolle spielen dabei die Gelenke, die das Zusammenspiel zwischen einzelnen Knochen steuern. Das Radioulnargelenk ist ein solches Gelenk, das vor allem für die Beweglichkeit des Unterarms und damit der Hand verantwortlich ist. Im folgenden Artikel werden die Anatomie, Funktion und klinische Relevanz des Radioulnargelenks umfassend dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
Radioulnargelenk – Definition
Das Radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris) ist die gelenkige Verbindung zwischen Radius und Ulna. Es besteht funktionell aus zwei Teilgelenken, dem körpernahen (proximalen) Radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris proximalis, PRUG) und dem körperfernen (distalen) Radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris distalis, DRUG). Beide Gelenke arbeiten funktionell zusammen und ermöglichen durch ihre spezifische Architektur die Umwendebewegungen der Hand, ohne dass sich der Ellbogen oder das Handgelenk wesentlich bewegen müssen.
Radioulnargelenk – Anatomie
Die Anatomie des Radioulnargelenks umfasst sowohl das proximale als auch das distale Teilgelenk sowie die verbindenden Strukturen zwischen Radius und Ulna. Jedes Teilgelenk besitzt eigene knöcherne, ligamentäre und kapsuläre Strukturen, die zusammen eine koordinierte Bewegung des Unterarms ermöglichen.
Proximales Radioulnargelenk
Das proximale Radioulnargelenk befindet sich in der Nähe des Ellbogens, wobei es sich um ein typisches Zapfengelenk handelt, bei dem sich die Speiche um die Längsachse dreht. Die artikulierenden Strukturen sind:
- Circumferentia articularis radii: Eine ringförmige Gelenkfläche am Radiuskopf.
- Incisura radialis ulnae: Eine sichelförmige Einziehung an der Ulna, die die Gegenseite der Gelenkpfanne bildet.
Das Gelenk wird durch das Ligamentum anulare radii stabilisiert, wobei das Band ringförmig um den Radiuskopf verläuft und ihn in der Einkerbung der Ulna fixiert. Auf seiner Innenseite ist er mit Knorpel überzogen, wodurch es auch eine Gelenkfläche darstellt. Gemeinsam mit der Gelenkkapsel sorgt es für eine Führung der Rotationsbewegung des Radius.
Distales Radioulnargelenk
Das distale Radioulnargelenk liegt am Übergang vom Unterarm zur Hand. Hier artikulieren:
- Caput ulnae: Hierbei handelt es sich um den Ellenkopf.
- Incisura ulnaris radii: Eine Einkerbung an der distalen Speiche.
Dieses Gelenk ist ein Radgelenk, das eine Rotation in einer Achse erlaubt. Die Speiche bewegt sich hier um die Ulna, die relativ stationär bleibt. Die Gelenkkapsel ist locker und ermöglicht einen großen Bewegungsradius. Zwischen Elle und dem Handwurzelknochen Os triquetrum liegt der sogenannte trianguläre fibrokartilaginäre Komplex (TFCC), der entscheidend zur Stabilität des distalen Gelenks beiträgt.
Radioulnargelenk – Funktion
Das Zusammenspiel von proximalem und distalem Radioulnargelenk ermöglicht die Pronation und Supination des Unterarms, wobei während der Supination Radius und Ulna parallel zueinander verlaufen, bei der Pronation überkreuzt hingegen der Radius die Ulna. Diese Bewegungen sind für zahlreiche Alltagstätigkeiten wie das Drehen eines Schlüssels oder das Halten eines Löffels essenziell.
Die Bewegungsachse für diese Rotation verläuft ungefähr von der Spitze des Radiuskopfs bis zum distalen Ende der Ulna. Die beiden Teilgelenke arbeiten synchron, unterstützt von der Membrana interossea und der umgebenden Muskulatur.
Muskuläre Beteiligung
Die Bewegung des Radioulnargelenks wird durch eine Vielzahl von Muskeln gesteuert. Für die Pronation sind vor allem der Musculus pronator teres und der Musculus pronator quadratus verantwortlich. Diese befinden sich auf der Beugeseite des Unterarms und ziehen den Radius über die Ulna.
Die Supination erfolgt hauptsächlich durch den Musculus biceps brachii und den Musculus supinator. Der Bizeps ist dabei besonders effektiv, wenn der Ellenbogen gebeugt ist. Eine Sonderstellung nimmt der Musculus brachioradialis ein, der je nach Ausgangsstellung sowohl eine Pronation als auch eine Supination unterstützen kann.
Vergleich mit anderen Spezies
Die Beweglichkeit des Radioulnargelenks ist eine Eigenschaft, die nicht bei allen Säugetieren gleichermaßen ausgeprägt ist. Tiere, die für eine schnelle Fortbewegung auf vier Beinen spezialisiert sind, zeigen häufig eine eingeschränkte Beweglichkeit oder sogar eine knöcherne Fusion von Radius und Ulna.
So sind bei Huftieren wie Pferden oder Wiederkäuern die beiden Unterarmknochen fest miteinander verbunden, um Stabilität bei der Fortbewegung zu gewährleisten. Bei Vögeln ist ein Meniskus im Radioulnargelenk zu finden, was eine anatomische Besonderheit darstellt. Diese Unterschiede verdeutlichen, wie stark die Gelenkstruktur an die jeweilige Lebensweise und Umwelt angepasst ist.
Radioulnargelenk – Klinische Relevanz
Veränderungen oder Verletzungen im Bereich des Radioulnargelenks können erhebliche funktionelle Einschränkungen nach sich ziehen, deshalb sind die Diagnostik und Therapie solcher Erkrankungen sind ein wichtiges Thema in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten die wichtigsten Krankheitsbilder und ihre Behandlungsmöglichkeiten.
Ulna-Plus-Variante
Bei der sogenannten Ulna-plus-Variante ist die Ulna im Vergleich zum Radius verlängert. Diese anatomische Variante kann zu einer vermehrten Belastung des triangulären fibrokartilaginären Komplexes (TFCC) führen, was über längere Zeit degenerative Veränderungen oder einen Riss verursachen kann. Klinisch äußert sich dies häufig in ulnarseitigen Handgelenksschmerzen, die vor allem bei Belastung oder bei Rotationsbewegungen auftreten.
Radiusfrakturen und Galeazzi-Verletzung
Frakturen des distalen Radius gehören zu den häufigsten Verletzungen in der Traumatologie und betreffen vor allem ältere Menschen mit Osteoporose sowie junge Erwachsene nach Hochrasanztraumata. Meist entstehen sie durch einen Sturz auf die ausgestreckte Hand, wobei die dorsale Abkippung des distalen Fragments typisch ist (Colles-Fraktur). In der klinischen Untersuchung zeigen sich häufig Schwellung, Fehlstellung und Schmerzen bei Bewegung oder Belastung des Handgelenks.
Galeazzi-Fraktur
Eine besondere und komplexe Form dieser Verletzungen stellt die Galeazzi-Fraktur dar. Dabei handelt es sich um eine instabile Kombination aus einer Fraktur des Schaftes des Radius (meist im distalen Drittel) und einer Luxation oder Subluxation des distalen Radioulnargelenks (DRUG). Diese Verletzung entsteht typischerweise durch eine direkte Krafteinwirkung auf den Unterarm oder durch eine starke Rotationsbelastung.
Die Behandlung solcher Kombinationsverletzungen erfolgt in der Regel operativ, wobei zunächst die Radiusfraktur mittels Plattenosteosynthese stabilisiert und im Anschluss die Stabilität des distalen Radioulnargelenks überprüft wird. Besteht eine persistierende Instabilität, kann eine temporäre Transfixation mit Kirschnerdrähten oder eine direkte Bandnaht notwendig sein. Eine unzureichende Behandlung kann zu chronischen Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und einer dauerhaften Instabilität führen.
Postoperativ ist eine frühfunktionelle Nachbehandlung unter physiotherapeutischer Anleitung entscheidend, um eine bestmögliche Wiederherstellung der Rotationsbeweglichkeit und der allgemeinen Handfunktion zu gewährleisten.
Instabilitäten und degenerative Veränderungen
Chronische Instabilitäten des distalen Radioulnargelenks entstehen meist nach Traumata oder als Folge von Bandläsionen. Patienten berichten über ein Gefühl der Unsicherheit im Handgelenk, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Diagnostisch sind bildgebende Verfahren wie das MRT von Bedeutung.
Auch degenerative Veränderungen wie Arthrose können das Gelenk betreffen, welche zu einer schmerzhaften Einschränkung der Rotationsbewegungen und einer zunehmenden Gelenkdestruktion führen. In fortgeschrittenen Fällen kann eine operative Sanierung erforderlich sein.
Chirurgische Therapieoptionen
Bei ausgeprägter Degeneration oder anhaltender Instabilität stehen verschiedene operative Verfahren zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist die partielle Resektion der distalen Ulna (Darrach-Operation), die bei älteren Patienten gute funktionelle Ergebnisse zeigen kann. Eine Alternative stellt die Hemiresektion-Interpositionsarthroplastik nach Bowers dar.
Bei jungen, aktiven Patienten oder nach fehlgeschlagenen Voroperationen kann eine endoprothetische Versorgung mittels Scheker-Prothese erwogen werden, wobei diese Spezialprothese funktionell das distale Radioulnargelenk ersetzt und häufig eine weitgehende Wiederherstellung der Beweglichkeit und Belastbarkeit ermöglicht .
- Unterarm, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 07.05.2025)