Inhaltsverzeichnis
Neurofibrillen sind fadenförmige Strukturen im Inneren von Nervenzellen, die eine Schlüsselrolle für deren Aufbau und Funktion übernehmen. Sie sorgen für mechanische Stabilität, ermöglichen den gezielten Transport von Zellbestandteilen und stehen im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer. Der folgende Text erläutert, was genau unter Neurofibrillen zu verstehen ist, beschreibt ihren Aufbau, erklärt ihre Funktion im Nervensystem und beleuchtet ihre pathologische Veränderung sowie klinische Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Neurofibrillen – Definition
Neurofibrillen sind fadenförmige Strukturen innerhalb von Nervenzellen (Neurone) und Teil des Zytoskeletts. Dabei handelt es sich um ein stabilisierendes Netzwerk aus Mikrotubuli, Intermediärfilamenten und Aktinfilamenten, das die Zellform erhält und den innerzellulären Transport steuert. Der Begriff „Neurofibrille“ leitet sich von den lateinischen Wörtern “neuron” (Nerv) und “fibrilla” (kleines Fädchen) ab. Bereits im späten 19. Jahrhundert wurden sie mithilfe spezieller Färbetechniken wie der Silberimprägnation mikroskopisch sichtbar gemacht, unter anderem durch Franz Nissl und Camillo Golgi.
Neurofibrillen sind im gesamten Zytoplasma von Neuronen nachweisbar, besonders ausgeprägt in Axonen und Dendriten. Sie tragen wesentlich zur Organisation der Zellstruktur bei und spielen eine aktive Rolle in Transport- und Signalprozessen. Aufgrund ihrer Bedeutung für die neuronale Integrität und Funktion stehen sie im Fokus der neurowissenschaftlichen Forschung, insbesondere im Zusammenhang mit degenerativen Veränderungen des Gehirns.
Neurofibrillen vs. Neurofilamente
Obwohl die Begriffe Neurofibrillen und Neurofilamente häufig synonym verwendet werden, bezeichnen sie unterschiedliche Strukturen. Neurofibrillen sind ein Sammelbegriff für fadenförmige Elemente des Zytoskeletts in Nervenzellen, zu denen Mikrotubuli, Neurofilamente und Aktinfilamente gehören. Neurofilamente dagegen sind eine klar definierte Untergruppe dieser Strukturen, denn sie bestehen aus intermediären Filamenten und verleihen Axonen mechanische Festigkeit sowie Stabilität. Während Neurofibrillen eine funktionelle Einheit darstellen, bezeichnen Neurofilamente eine konkrete strukturelle Komponente innerhalb dieser Einheit.
Neurofibrillen – Anatomie und Aufbau
Neurofibrillen bestehen aus mehreren proteinbasierten Bestandteilen des neuronalen Zytoskeletts, vor allem aus Mikrotubuli, Neurofilamenten und Aktinfilamenten. Diese Fasersysteme bilden gemeinsam ein komplex organisiertes intrazelluläres Netzwerk, das die Nervenzelle formstabil hält, deren Wachstum unterstützt und Transportprozesse organisiert.
Mikrotubuli sind hohle Röhrchen aus Tubulin, die sich entlang der Zellfortsätze erstrecken. Sie dienen als Schienen für den gerichteten Transport von Organellen und Molekülen. Ihre Dynamik erlaubt der Zelle, sich strukturell an veränderte Anforderungen anzupassen, etwa im Zuge der Entwicklung oder bei Regeneration nach Verletzungen.
Neurofilamente zählen zu den Intermediärfilamenten und sorgen für die mechanische Festigkeit der Axone. Sie beeinflussen deren Durchmesser und tragen wesentlich zur Geschwindigkeit der Reizleitung bei, wobei ihre molekulare Struktur aus drei Untereinheiten (leicht, mittel und schwer) besteht, die zusammen eine stabile Fasereinheit bilden.
Aktinfilamente finden sich vor allem in der Nähe der Zellmembran und in dendritischen Spines, wo sie die Form und Plastizität der Zellfortsätze regulieren, was ein zentraler Aspekt für synaptische Anpassungen ist.
Die Zusammensetzung und Verteilung dieser Strukturelemente variiert je nach Zelltyp und physiologischer Beanspruchung und wird durch eine Vielzahl von Steuerproteinen wie Tau moduliert.
Neurofibrillen – Funktion
Zu den zentralen Aufgaben der Neurofibrillen zählt der axoplasmatische Transport, der essenziell für die Funktion von Nervenzellen ist. Mikrotubuli dienen dabei als Transportschienen, auf denen motorische Proteine wie Kinesin (anterograd) und Dynein (retrograd) Moleküle und Organellen zwischen Zellkörper und Synapse bewegen. Dieser gerichtete Transport gewährleistet unter anderem die Versorgung der Synapsen mit Neurotransmittern und Enzymen.
Darüber hinaus tragen Neurofibrillen zur strukturellen Stabilität der Zellarchitektur bei, denn besonders in den langen Axonen und verzweigten Dendriten sichern sie die Integrität über weite Distanzen hinweg. Damit ermöglichen sie die effiziente Weiterleitung elektrischer Signale.
Neurofilamente unterstützen diese Funktion durch ihre stabilisierende Wirkung und beeinflussen über den Axondurchmesser direkt die Leitungsgeschwindigkeit elektrischer Impulse. Ein größerer Durchmesser senkt den elektrischen Widerstand, wodurch er die Geschwindigkeit der Reizleitung erhöht. Das ist besonders für motorische Neuronen von funktioneller Bedeutung.
Zusätzlich sind Neurofibrillen an der synaptischen Plastizität beteiligt, indem ihre Aktinfilamente in dendritischen Spines dynamische Formveränderungen ermöglichen. Sie tragen auch zur Ausbildung, Modifikation und Stabilisierung von Synapsen bei. Auf diese Weise wirken Neurofibrillen direkt auf die zellulären Grundlagen von Lern- und Gedächtnisprozessen ein.
Neurofibrillen – Klinik und Pathologie
Veränderungen in der Struktur und Funktion von Neurofibrillen stehen im Mittelpunkt zahlreicher neurodegenerativer Erkrankungen. Am bekanntesten ist ihre Beteiligung an der Alzheimer-Krankheit, bei der sogenannte neurofibrilläre Tangles im Zellinneren auftreten. Diese bestehen aus fehlgefalteten, hyperphosphorylierten Tau-Proteinen, die ihre Bindung an Mikrotubuli verlieren und sich stattdessen zu unlöslichen Faserbündeln aggregieren.
Der Verlust der Tau-Funktion destabilisiert das Mikrotubuli-System, unterbricht den axoplasmatischen Transport und führt zur Akkumulation zellulärer Abfallprodukte. Diese Prozesse schädigen die Nervenzelle zunehmend und enden häufig mit ihrem Absterben. Die neurofibrillären Tangles gelten als mikroskopischer Hinweis auf das Ausmaß kognitiver Beeinträchtigungen im Krankheitsverlauf.
Auch andere neurodegenerative Erkrankungen wie die progressive supranukleäre Blickparese, die kortikobasale Degeneration oder die frontotemporale Demenz zeigen pathologische Tau-Ablagerungen. Sie werden unter dem Begriff Tauopathien zusammengefasst. Die Diagnose erfolgt meist histologisch anhand von Gehirnpräparaten oder zunehmend mithilfe bildgebender und molekularer Verfahren.
Auch Neurofilament-Leichtketten (NfL) gewinnen zunehmend an diagnostischer Relevanz. Diese lassen sich bei axonaler Schädigung im Blut oder Liquor nachweisen und gelten als Biomarker für Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder Parkinson. Sie erlauben Rückschlüsse auf das Ausmaß der neuronalen Degeneration und eignen sich zur Verlaufskontrolle.
Insgesamt gelten Veränderungen der Neurofibrillen heute als zentraler pathophysiologischer Mechanismus vieler neurodegenerativer Erkrankungen. Die gezielte Beeinflussung von Tau-Proteinen oder regulatorischen Prozessen der Filamentbildung stellt einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz dar.
- Nervengewebe, Synapsen und Transmitter, https://next.amboss.com/... , (Abrufdatum: 01.07.2025)