Inhaltsverzeichnis
Die Medulla oblongata (verlängertes Mark) – ein kleiner Teil des Gehirns, der jedoch für das Überleben von entscheidender Bedeutung ist. Diese winzige Struktur im Hirnstamm kontrolliert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck, ohne die man nicht existieren könnte. Dieser Teil des Hirnstammes hat eine große Wirkung auf den gesamten Körper und das Wohlbefinden. Aber was passiert, wenn die Medulla oblongata beeinträchtigt wird? In diesem Artikel gibt es alle wichtigen Informationen zu Definition, Aufbau, Lage, Funktion und Beeinträchtigungen dieser faszinierenden Struktur.
Inhaltsverzeichnis
Medulla oblongata – Definition
Die deutsche Übersetzung der Medulla oblongata lautet “verlängertes Mark” (auch Markhirn genannt), was darauf zurückzuführen ist, dass sie sich direkt dem Rückenmark anschließt. Somit grenzt die Medulla oblongata das Rückenmark vom Gehirn ab und gilt daher als unterster Teil des Hirnstamms (truncus cerebri). Im Fachjargon bezeichnet man das verlängerte Mark auch als “Myelencephalon” (Synonyme: Nachhirn, bulbus medullae spinalis, bulbus cerebri).
Der Hirnstamm wiederum setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen. Dazu gehören Mittelhirn (lat. “Mesencephalon”), Brücke (lat. “Pons“) sowie eben das verlängerte Rückenmark. Zusammen mit dem Kleinhirn (lat. “Cerebellum”) und dem Pons bildet das verlängerte Rückenmark zudem das sogenannte “Rautenhirn”.
Medulla oblongata – Aufbau
Die Medulla oblongata ist etwa drei Zentimeter lang und zwei Zentimeter breit. Außerdem besitzt sie eine weiß-graue Farbe. Das äußere Erscheinungsbild lässt sich als kegelförmig beschreiben.
Auf der Vorderseite befindet sich eine doppelseitige, gleichförmige Wulst, welche durch die beiden Pyramiden gebildet wird. Zwischen diesen Pyramiden befindet sich eine Furche, die “Fissura mediana anterior”. Diese Einkerbung setzt sich auch in das weiter unten gelegene Rückenmark fort.
Auf der hinteren Seite stößt man ebenfalls auf einige von außen sichtbare Strukturen: Hier liegen die sogenannten “Hinterstrangkerne” (Nucelus gracillis und Nucleus cuneatus). Die hintere Oberfläche des verlängerten Rückenmarkes wird durch den “Sulcus medianus posterior” gewissermaßen gespalten.
Auf beiden Seiten der Medulla oblongata findet man schließlich noch eine weitere Vorwölbung, welche durch die unteren sogenannten Olivenkerne (nucleus olivaris) verursacht wird.
Neben diesen von außen sichtbaren Bestandteilen enthält die Medulla oblongata in ihrem Inneren noch viele weitere wichtige Faserbahnen sowie Kerngebiete. In der anschließenden Tabelle sind die wichtigsten aufgeführt.
Faserbahnen | Feste Kerngebiete |
Pyramidenbahn | Ursprungskerne der Hirnnerven VIII – XII |
Lemniscus medialis (Medialie Schleifenbahn) | Unterer Olivenkern |
Tractus tegmentalis centralis (Zentrale Haubenbahn) | Hinterstrangkerne |
Fasciculus longitudinalis medialis (Mediales Längsbündel) |
Die verschiedenen Faserbahnen verlaufen eher im vorderen Bereich des verlängerten Rückenmarks, weshalb man die vordere Hälfte auch als “Pyramis” (Pyramide) bezeichnet. Dahingegen spricht man beim hinteren Teil auch vom “Tegmentum myelencephali” (Nachhirnhaube). Neben den in der Tabelle erwähnten Bestandteilen findet man in der Medulla oblongata auch noch die “Formatio reticularis” (Retikulärformation). Die Retikulärformation allerdings ist nicht wirklich an einem spezifischen Platz lokalisiert, sondern durchzieht vielmehr das gesamte verlängerte Rückenmark.
Gefäßversorgung
Die arterielle Versorgung der Medulla oblongata geschieht durch verschiedene Äste der Wirbelarterie (Arteria vertebralis). Dieses Gefäß verläuft beidseitig, wobei sich die linke und rechte Arteria vertebralis ungefähr beim Übergang zwischen verlängerten Rückenmark und Pons zur Basilararterie (Arteria basilaris) vereinigen. In den oberen Bereichen erfolgt die Durchblutung somit auch aus der Arteria basilaris.
Der venöse Abfluss erfolgt zum einen in den Sinus durae matris, wobei es sich um eine Art umschließendes Sammelbecken für das venöse Blut aus dem Gehirnbereich handelt. Vom Sinus durae matris aus gelangt das nährstoffarme Blut über die Jugularvene zurück zum Herzen. Zum anderen kann das venöse Blut aus den weiter unten gelegenen Abschnitten der Medulla oblongata auch durch Spinalvenen geschehen, welche das Blut in die hinteren Rippenvenen weiterleiten.
Medulla oblongata – Lage
Die Lage der Medulla oblongata ist von entscheidender Bedeutung für ihre Funktion, da sie Signale zwischen dem Gehirn und dem Rest des Körpers koordiniert.
Die Medulla oblongata stellt den untersten Abschnitt des Hirnstamms dar und liegt somit direkt oberhalb des ersten Halswirbels. Damit befindet sie zwischen dem oberen Ende des Rückenmarks und dem Pons und stellt gewissermaßen eine Verbindung dieser beiden Strukturen dar. Als Grenze für den Übergang zwischen Rückenmark und Hirnstamm gilt gemeinhin die Austrittstelle des obersten Spinalnerven. Räumlich gesehen befindet sich die Medulla oblongata zudem vor dem Kleinhirn, ist dabei allerdings in der Regel etwas weiter nach unten versetzt. Über den unteren Kleinhirnstiel stehen Kleinhirn und verlängertes Rückenmark allerdings trotzdem in Verbindung miteinander.
Kleinhirnbrückenwinkel
Der Kleinhirnbrückenwinkel stellt in der Neurologie eine wichtige Region dar und bezeichnet den Bereich zwischen Hirnstamm, Kleinhirn und dem Felsenbein des Schädels. Hier verlaufen zwei Hirnnerven (VII & VIII) sowie weitere wichtige Arterien und Venen. Bei krankhaften Raumforderungen in diesem Bereich kann der Hirndruck steigen oder es kommt zu Hörstörungen beziehungsweise Lähmungen der Gesichtsmuskulatur.
Außerdem liegt die Medulla oblongata in unmittelbarer Nähe des vierten Ventrikels. Der vierte Ventrikel ist ein mit Nervenwasser (Liquor) gefüllter Hohlraum im Gehirn, der sich direkt oberhalb der Medulla oblongata befindet. Somit stellt das verlängerte Rückenmark die untere Begrenzung, also den Boden des vierten Ventrikels dar. Dahingegen werden das Dach des Ventrikels von Kleinhirn und Pons, die Seitenwände durch den Hirnstamm gebildet.
Medulla oblongata – Funktion
Die Medulla oblongata ist überwiegend für nicht-willkürliche, also unbewusst ablaufende Prozesse zuständig. Viele der hier koordinierten Funktionen sind überlebenswichtig. Daneben sind vor allem die hier befindlichen Hirnnerven noch zum Teil an willkürlichen Funktionen beteiligt. Im Folgenden sind die wichtigsten Funktionen des verlängerten Rückenmarks aufgeführt.
- Regulation von Kreislauf, Herzfrequenz und Blutdruck
- Reflexe im Verdauungstrakt (z. B. Würgereflex)
- Steuerung der Atemfrequenz und -tiefe (über chemische Rezeptoren für den Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut und Dehnungsrezeptoren in der Lunge)
- Reflexe im Atemzentrum (z. B. Reaktion auf Säure-Base-Status des Blutes, Husten und Niesen)
- Verknüpfungen mit motorischen System und höheren kognitiven Funktionen
- Koordination und Regulation von Präzisionsbewegungen (v. a. durch Oliven über Feedbackschleifen mit Groß-/ Kleinhirn und Peripherie)
- Umschaltstation für feine Berührungsempfindungen über das Hinterstrangsystem (Berührung, Druck, Vibration)
- Regulation der Muskeln und Drüsen, die an der Nahrungsaufnahme und -verarbeitung beteiligt sind, Schlucken des Nahrungsbreis
- Beteiligung an der Regulation von Schlafrhythmus und Wachzustand
Krankheiten und Beschwerden – Beispiele
Schädigungen im Bereich der Medulla oblongata können durch viele verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Mögliche Auslöser sind beispielsweise unfallbedingte Traumata, Tumore (direkt dort oder in der unmittelbaren Umgebung) oder Infarkte. Aber auch Blutungen, Entzündungen im Gehirn oder ein erhöhter Hirndruck können Ausfallerscheinungen der Funktionen der Medulla oblongata hervorrufen. In jedem Fall sind jedoch Beeinträchtigungen des verlängerten Rückenmarks durch die Gefährdung vitaler Zentren meist akut lebensbedrohlich. Ein vollständiger Ausfall führt in der Regel zum Tod.
Bei Schädigungen der unteren Olivenkerne, beziehungsweise von verbindenden Faserbahnen in diesem Bereich, treten meist motorische Symptome auf. Diese ähneln der Symptomatik bei Läsionen im Bereich des Kleinhirns, sind aber normalerweise schwächer ausgeprägt. Mögliche Symptome sind etwa nicht-flüssige Bewegungen, eine herabgesetzte Muskelspannung, Stand- und Gangstörungen oder ein unkontrolliertes Zucken der Gaumenmuskulatur.
Ein weiterer krankhafter Prozess im Bereich des verlängerten Rückenmarks stellt die sogenannte “untere Einklemmung” dar. Bei einer Einklemmung verschiebt sich Hirngewebe in Folge eines erhöhten Hirndrucks, was dementsprechend umliegende Strukturen des Gehirns komprimiert und bis zum Funktionsausfall derselben führen kann. Bei der unteren Einklemmung verschiebt sich der unterste Anteil des Kleinhirns. Da das Kleinhirn direkt hinter (und etwas oberhalb) der Medulla oblongata gelegen ist, wird durch die Verschiebung Druck auf das verlängerte Mark ausgeübt. Dieser Zustand ist akut lebensbedrohlich und erfordert in der Regel eine sofortige klinische Intervention.
1. Schünke M et. al., Prometheus: Lernatlas der Anatomie (Kopf, Hals und Neuroanatomie), Thieme, 5. Auflage.
2. Speckmann et. Al., Physiologie: Das Lehrbuch, Elsevier, 7. Auflage.
3. Amboss, Medulla oblongata, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 08.03.2023).
4. Thieme, viamedici, Verlängertes Mark, https://viamedici.thieme.de/... (Abrufdatum: 08.03.2023).
5. Spektrum, Neurowissenschaft, Olive, https://www.spektrum.de/... (Abrufdatum: 08.03.2023).