Inhaltsverzeichnis
Den am weitesten entwickelte Teil im zentralen Steuerungssystem des Menschen, dem Gehirn, stellt der Frontallappen dar. Ohne dieses wichtige Element, das zudem der größte aller Großhirnlappen ist, würden unzählige Funktionen keineswegs möglich sein. Angefangen beim Laufen und Greifen (Bewegung), über Tagesplanung, Bücher lesen, Fernsehen und viele soziale Verhaltensweisen sowie Teile der Persönlichkeit; bei all diesen Prozessen spielt der Frontallappen eine wichtige Rolle.
Dieser Artikel befasst sich mit allen wichtigen Fakten zu diesem Gebiet des Gehirns, darunter Definition, Aufbau, Funktion und klinische Krankheitsbilder des Frontallappens.
Inhaltsverzeichnis
Frontallappen – Definition
Der Frontallappen ist ein Teil des Großhirns, welches durch mehrere Furchen (lat. “sulci”) in vier Großhirnlappen unterteilt wird. Der lateinische Fachbegriff für Frontallappen lautet “Lobus frontalis”, auf deutsch kann man ihn auch “Stirnlappen” nennen. Seinen Namen trägt er daher, weil er sich ungefähr hinter der Stirn, also ganz vorne am Gehirn, befindet. Der Lobus frontalis bildet einerseits den größten aller Großhirnlappen, andererseits aber auch den am meisten entwickelten des menschlichen Gehirns. Insgesamt macht er mit seiner Größe etwa ein Drittel des Gehirns aus. Durch die fortgeschrittene Entwicklung dieses Areals sind hier auch einige sehr wichtige Funktionen verordnet, darunter vor allem die Motorik und weitere höhere, kognitive Prozesse.
Frontallappen – Aufbau
Der Frontallappen besteht aus Windungen (lat. “gyri”), die durch dazwischen liegende Furchen (lat. “sulci”) abgegrenzt werden. Weiter unterteilen kann man diesen Teil im Frontalhirn dann in einen Rinden- und einen Markanteil: Während die Großhirnrinde eher nach außen hin am Rand angesiedelt ist, befindet sich das Mark tiefer im Frontallappen.
Die Rinde wird außerdem aufgrund ihrer Farbgebung bei Obduktionen des Gehirns auch als “graue Substanz” bezeichnet, da die sich hier befindlichen Zellkörper von Nerven nach außen hin gräulich erscheinen. Das darunter liegende Mark des Großhirns eher weißlich (“weiße Substanz”), was durch die hier vermehrt vorkommenden Nervenfasern verursacht wird. Nervenfasern sind von einer Scheide aus “Myelin” umgeben. Myelin ist ein fetthaltiges (und daher weißes) Gewebe, das die Weiterleitung von elektrischen Nervenimpulsen ermöglicht und fördert.
Einteilung nach Gyri
Anhand der einzelnen Windungen beziehungsweise Gyri, kann man den Frontallappen nochmals in unterschiedliche Bestandteile aufgliedern. Insgesamt finden sich hier vier Windungen:
- Gyrus frontalis superior (oben)
- Gyrus frontalis medius (mittig)
- Gyrus frontalis inferior (unten)
- Gyrus praecentralis (unmittelbar vor der quer verlaufenden Zentralfurche)
Der Gyrus frontalis inferior wiederum lässt sich nochmal selbst in drei Anteile unterteilen. Diese sind: Pars orbitalis über der Augenhöhle, Pars triangularis (dreieckig, in der Regel nur auf einer Seite vorhanden) und die Pars opercularis, welche deckelartig (lat. “operculum” = Deckel) andere Gehirnbereiche abdeckt.
Unterteilung nach Funktion
Des Weiteren lässt sich der Frontallappen auch anhand seiner verschiedenen Funktionen in diverse Bereiche untergliedern. Demnach gibt es:
- Motorisches Sprachzentrum (Broca-Areal)
- Primär motorischer Kortex
- Prämotorischer Kortex
- Supplementär motorischer Kortex
- Frontales Blickzentrum
- Präfrontaler Kortex
- Frontales Blasenzentrum
Zu den spezifischen Funktionen dieser einzelnen Areale gibt es zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Artikel ausführliche Informationen.
Topographie im medizinischen Kontext
Mit der Topographie ist in der Anatomie meist die genaue Lage von Strukturen gemeint.
Frontallappen – Topographie
Der Frontallappen wird im Gehirn durch diverse Furchen begrenzt und befindet sich dabei in der vorderen Schädelgrube. Grob gesagt füllt der Lobus frontalis den Platz zwischen Frontalpol an der Stirn bis auf die Oberseite des Großhirns aus.
Im seitlichen Bereich erstreckt er sich bis zum Sulcus lateralis, was man in der Klinik auch als “Sylvische Fissur” bezeichnet. Nach hinten verläuft der Lobus frontalis bis hin zum Sulcus centralis (Zentralfurche). Die Zentralfurche verläuft einmal quer über die Oberfläche beider Hemisphären des Gehirns und trennt den Frontallappen vom weiter hinten liegenden Parietallappen. Unter dem Sulcus lateralis schließt sich hingegen der Schläfenlappen (Temporallappen) an. Direkt unter dem Frontallappen findet man zum einen auf beiden Seiten die Augenhöhlen. Zum anderen liegt er auch einem Teil der von der Nase kommenden Riechbahn auf, dem sogenannten “Bulbus olfactorius”.
Was ist eine Hemisphäre im Gehirn?
Das Großhirn wird durch die Fissura longitudinalis (Hirnlängsfurche) geteilt. Jedoch sind diese beiden Gehirnhälften durch den sog. Balken (corpus callosum) verbunden. Die beiden Teile des Gehirns, die sich je links und rechts der Hirnlängsfurche befinden, nennt man Hemisphären (linke/rechte Gehirnhälfte).
Frontallappen – Verbindungen
Das Gehirn besteht insgesamt aus sehr vielen Nervenbahnen, wodurch die verschiedenen Bereiche miteinander vernetzt sind und dadurch kommunizieren können. Dementsprechend ist auch der Frontallappen Ausgangs- sowie Eingangspunkt für jede Menge dieser Nervenbahnen im Kopf. Da es allerdings nahezu unmöglich ist, alle diese Verbindungen aufzuzählen, wird sich im Folgenden auf drei der wichtigsten beschränkt. Dies sind die Pyramidenbahn sowie die Verbindungen von Prämotorischem und Präfrontalem Kortex.
Pyramidenbahnsystem
Eine erste Nervenverbindung des Frontallappens ist die sogenannte “Pyramidenbahn”. Diese Struktur wurde nicht etwa in Ägypten entdeckt, sondern trägt ihren Namen durch einen dreiecksförmigen Bestandteil, denn alle Nerven dieser Nervenstraße passieren müssen.
Ausgehend vom Primär motorischen Cortex (direkt vor dem Sulcus centralis) verläuft die Pyramidenbahn (lat. “Tractus corticospinalis”: Bahn von der Hirnrinde bis zum Rückenmark) durch den Hirnstamm bis zur “Pyramide”. Die Pyramide stellt eine Erhebung auf dem verlängerten Rückenmark dar, wo in etwa 70 bis 90 Prozent aller Fasern des Tractus corticospinalis auf die andere Seite kreuzen und fortan auf der entgegengesetzten Seite zu ihrem Austrittsort das Rückenmark hinab verlaufen.
Während man die gekreuzten Fasern als “Tractus corticospinalis lateralis” bezeichnet, verlaufen die restlichen Fasern der Pyramidenbahn zunächst einmal ungekreuzt als “Tractus corticospinalis anterior” im Rückenmark. Letztere wechseln erst kurz vor ihrer Austrittsstelle aus dem Rückenmark auf die Gegenseite. Man sagt auch, dass sie “auf Segmentebene” im Rückenmark kreuzen. Funktional gesehen ist die Pyramidenbahn für das willkürliche Ansteuern von Skelettmuskulatur im Körper zuständig.
Lähmungen beim Schlaganfall
Ein häufiges Symptom nach Schlaganfällen im Gehirn ist eine anschließende schlaffe Lähmung von Gliedmaßen. Patienten/-innen können beispielsweise Arm und / oder Bein nicht mehr bewegen. Bei einer Lähmung der rechten Körperhälfte liegt jedoch der Schaden weiter oben, oftmals in der linken Gehirnhälfte. Grund dafür ist in der Regel genau die soeben beschriebene, charakteristische Kreuzung der Pyramidenbahn.
Verbindungen des Prämotorischen Kortex
Der Prämotorische Kortex im Frontallappen dient in funktionaler Hinsicht der Planung von Bewegungsprogrammen. Von hier aus verlaufen Nervenbündel über verschiedene Stationen bis zum Primär motorischen Kortex, wo die letztendliche Ansteuerung der einzelnen Muskeln beginnt. Auf ihrem Weg passieren die Nerven zum Beispiel die Brücke (lat. “Pons“), Kleinhirn und Thalamus. Der Thalamus, ein Teil des Zwischenhirns, wird auch als “Tor zum Bewusstsein” bezeichnet, da so gut wie alle sensiblen und sensorischen Signale durch ihn hindurchlaufen müssen.
Verbindungen des Präfrontalen Kortex
Der Präfrontale Kortex gleicht in nervaler Hinsicht einem riesigen Verteilungszentrum. Er erhält fast aus der gesamten Großhirnrinde Nervensignale. Zusätzlich bekommt er auch Informationen aus den Hirngebieten von Thalamus und Retikulärformation (lat. “Formatio reticularis“). Die Formatio reticularis besteht aus grauer Substanz, liegt im Hirnstamm und verschaltet einige lebenswichtige Funktionen, darunter zum Beispiel Atmung und Kreislauf. Vom Präfrontalen Kortex aus strahlen wiederum Nerven in fast alle Areale von Kortex und Thalamus aus. Dementsprechend komplex sind auch die Funktionen in diesem Teil des Frontallappens, darunter zum Beispiel Rechnen und Schreiben.
Frontallappen – Blutversorgung
Der Frontallappen verbraucht durch seine Größe und seine komplexen Funktionen viel Energie. Da er sich über einen so großen Bereich erstreckt, wird er sogar von zwei der drei großen Arterien im Gehirn versorgt. Dies sind die vordere und die mittlere Hirnarterie. Während die vordere Hirnarterie (lat. “Arteria cerebri anterior”) die zur Mitte hin gelegenen Anteile des Lobus frontalis mit nährstoffreichen Blut versorgt, werden die äußeren Gebiete von der Mittleren (lat. “Arteria cerebri media“) durchblutet.
Der Abtransport von venösem Blut aus dem Frontallappen geschieht hauptsächlich über oberflächliche Gehirnvenen (lat. “Venae superficiales cerebri”). Diese durchstoßen die beiden Hirnhäute (Spinnenhaut und harte Hirnhaut) und verlaufen dann in den “Sinus durae matris”. Bei diesem Sinus handelt es sich sozusagen um ein Abflussbecken des gesamten Kopfes, von wo aus das venöse Blut weiter in die innere Drosselvene gelangt und von dort aus zurück zum Herz. Die prominenteste dieser oberflächlichen Venen ist die “Vena media superficialis cerebri”.
Frontallappen – Funktion
Die Aufgaben des Frontallappens kann man in drei verschiedene Kategorien einteilen: Motorik, Sensibilität und komplexe Funktionen. Diese kann man wiederum spezifischen Gebieten des Lobus frontalis zuordnen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick der wichtigsten Aufgaben des Frontallappens.
Areal | Lage | Funktion |
Broca-Areal | Nur auf einer Seite, bei Rechtshändern meist links im Gyrus frontalis inferior | Motorische Sprachproduktion |
Primär motorischer Kortex | Gyrus praecentralis | Ursprung motorischer Bewegungen (Pyramidenbahn) hinsichtlich Schnelligkeit, Kraft und Richtung |
Prämotorischer und Supplementär Motorischer Kortex | Direkt vor dem Gyrus praecentralis | Planung und Ausführung komplexer Bewegungsabläufe |
Frontales Augenfeld / Blickzentrum | Prämotorischer Kortex | Übergeordnete Steuerung der willkürlichen Augenbewegungen |
Präfrontaler Kortex | Vom frontalen Pol bis zum Prämotorischen Kortex |
|
Frontallappen – Klinik
Schäden des Frontallappens führen meist zu massiven Symptomen. Allgemein können in diesem Bereich des Gehirns Schäden oder Beeinträchtigungen beispielsweise durch traumatische Verletzungen oder durch Erkrankungen, wie Entzündungen, Tumore oder Durchblutungsstörungen, auftreten. Dabei ist die Ausprägung der Folgen je nach Lokalisation vom betroffenen Anteil im Kopf sehr variabel.
Ein übergeordneter Begriff für eine Symptomatik, die mit einer Schädigung des Lobus frontalis einhergeht, lautet “Frontallappensyndrom” oder “Frontalhirnsyndrom”. Wegen der komplexen Vernetzung kann dieses Krankheitsbild verschiedene Aspekte umfassen, wie zum Beispiel:
- Depressionsartige Zustände
- Antriebslosigkeit
- Gefühlslosigkeit
- Motorische Unruhe
- Distanz- und Hemmungslosigkeit
- Übermäßiges Sexualverlangen
Bei bestimmten Symptomen kann man auch auf spezifischere Schädigungen einzelner Areale schließen. So geht ein Funktionsverlust des Prämotorischen Kortex meist mit einer spastischen Lähmung einher, wobei die Muskeln des betroffenen Gebiets dauerhaft verkrampft sind. Dahingegen gibt es auch schlaffe Lähmungen, das heißt ein betroffener Arm kann beispielsweise nicht mehr willentlich bewegt werden. In solchen Fällen befindet sich der Schaden meist direkt im Primär motorischen Kortex.
Schließlich können auch Störungen in der Produktion von Sprache (Broca-Areal), in der Koordination der Augenbewegungen (Frontales Augenfeld) oder Kontinenzprobleme (Blasenzentrum) auf Schäden in gewissen Bereichen im frontalen Lappen hindeuten.
1. Amboss, Frontallappen, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum: 25.02.2023).
2. Viamedici Thieme, Große Hirnrinde, https://viamedici.thieme.de/... (Abrufdatum: 26.02.2023).
3. Trepel M, Neuroanatomie: Struktur und Funktion, Elsevier, 8. Auflage.
4. Schünke M et. al., Prometheus: Lernatlas der Anatomie (Kopf, Hals und Neuroanatomie), Thieme, 5. Auflage.
5. Speckmann et. Al., Physiologie: Das Lehrbuch, Elsevier, 7. Auflage.